Förderung... aber wie?

Gabriele

Registrierter Benutzer
Ich bin Gruppenleiterin in einer Tagesförderstätte und habe Gruppenzuwachs bekommen. Es ist eine junge Dame von 20 Jahren mit der Diagnose Rett-Syndrom. Da ich in der Begleitung und Förderung von Mädchen mit diesem Syndrom bis jetzt keine Erfahrung habe, setzte ich mich im Vorfeld mit dem bisherigen Betreuer in Verbindung um adäquate Informationen zu erhalten. Leider war die Auskunft nicht befriedigend für mich. "Man kann bei und mit ihr nicht mehr machen wie sauber, satt und trocken!" Ich bin immer noch sehr über diese Auskunft geschockt und kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass das alles sein kann. Aus eigener Erfahrung mit meinem Sohn (er ist autistisch behindert) haben betroffene Eltern immer einen wahren Schatz an Erfahrungen im Umgang und der Förderung ihrer Kinder. Ich wende mich somit an Euch und hoffe, viele Anregungen und Informationen zu bekommen um diesem mir anvertrauten jungen Mädchen mehr bieten und es entsprechend fördern zu können, wie oben beschrieben.
 
Gabriele schrieb:
Leider war die Auskunft nicht befriedigend für mich. "Man kann bei und mit ihr nicht mehr machen wie sauber, satt und trocken!" Ich bin immer noch sehr über diese Auskunft geschockt und kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass das alles sein kann.

:confused4: na diese Zeile hab ich zwar bisher noch nicht gelesen, aber sie kommt mir sehr bekannt vor! Mir wurde, als ich in der Tgst gearbeitet habe immer gesagt, genau so soll es nicht sein, jetzt wo ich nicht mehr da bin, fällt mir immer mehr auf, dass es in einigen Gruppen doch so ist, aber das ist ein ganz anderes Thema!
An sich will ich damit nur sagen: :respekt: , dass es noch solche Pädagogen gibt, die ihren Job wirklich ernst nehmen, wie du (sie)! Ich habs als ich Shana und Hannah in die Gruppe bekommen habe genauso gemacht und hier bin ich endlich auf die ersehnten Antworten gestoßen!
Ich hab allerdings aus eigener Erfahrung gelernt - und der letzte Samstag in Eichstätt hat es wieder gezeigt - dass kein Rett-:engel_29: dem Anderen gleicht! Es ist also sehr schwer zu sagen, was man mit einem :engel_18: "anstellen" kann, ohne das Mädchen wirklich zu kennen. Grundsätzlich kann ich gleich (leider auch aus Erfahrung) sagen, dass man ein Rett-Mädchen niemals unterschätzen darf, die Kleinen (und auch Größeren) können viiiiiiiel mehr, als ein "Aussenstehender" (wie ich es mal war) vielleicht denken möchte!
Ich kann dir also nur sagen, was ich in der Tagesstätte mit "meinen" 2 Kleinen immer so angestellt habe! Ich habe mich immer mit den KG- und Ergoterapeuthinnen kurzgeschlossen und versucht davon möglichst viel in die tägliche Arbeit einfliesen zu lassen. Dabei war es für mich immer wichtig, das ganze spielerisch zu machen, weil so ein lauthals schreiendes (weil gelangweilt oder genervt) Madl kann einem die Trommelfelle ganz schön reizen! Davon abgesehen, sind Tgst's ja keine Werkstatt in der man sein Kind zur Reparatur steckt! Die 3 :engel_18: die ich jetzt näher kenne, haben immer super mitgemacht, bei der Arbeit, haben aber dann auch immer ihren Freiraum haben wollen, denn wer will das nicht!?
Wie schon gesagt, es ist schwer einfach so zu sagen: "Mach das und das...."! Ich würde mich an deiner Stelle mit den Eltern in Verbindung setzten, fragen, was die machen und wie. Darüber hinaus auch mit Therapeuten usw um dies in die Arbeit einfliesen zu lassen. Das ist aus meiner Sicht das sinnvollste, was man machen kann, um dem Kind einen angenehmen aber sinnvollen Aufenthalt bieten zu können. Und, wenn ich kurz angeben darf, dass hab ich scheinbar durch "meine" Methode ganz gut geschafft, die 2 aus der Tgst laufen immernoch zu mir, wenn ich in die Tgst komme!

Aber: Ich bin ja nicht der Einzigste hier (vielleicht der Einzigste, der so viel hier online ist), ich bin mir sicher, der ein oder Andere hat nen kleinen Tipp parat!
 
Liebe Gabriele,

zuerst einmal ein herzliches Willkommen bei uns :146: . Du wirst beim Stöbern im Forum sicherlich auf viel Hilfreiches stoßen, was Dich in Deiner Arbeit mit der jungen Dame unterstützt.

"satt und sauber" ist natürlich die bequemste Methode. Allerdings graust es mir bei der Vorstellung, solch eine Haltung hätte jemand meiner Tochter (19) gegenüber. Abgesehen davon, würde sie sich das eh nicht gefallen lassen und auf ihre Weise protestieren.

Besonders nach den neuesten Forschungsergebnissen haben die Bestätigung dafür, dass die Mädchen und Frauen sehr viel verstehen und oft ganz besonders clevere Köpfchen sind. Um in ein Bild zu kommen: Es scheint durch Rett ein Schleier vor sie gelegt worden zu sein, der uns oftmals daran hindert, sie ganz zu sehen ... und sie selbst, sich ganz zu zeigen. Und doch sind sie ganz da. Aber eben auf eine andere Weise, eine, die wir nicht immer verstehen können, weil uns ihre Sprache oder ihr Ausdruck fremd erscheint.

Dir wünsche ich viele guten Erfahrungen hier und wenn Du Fragen hast - frag gradraus.
 
Eltern

Hallo Gabriele,
was sagen denn die Eltern, was ihre Tochter interessiert und kann ?
Ich würde einer neuen Betreuerin von Ella erzählen, was mein Kind interessiert, wo ich selbst Möglichkeiten sehe und Hoffnungen habe. Aber satt und sauber reicht ja nicht mal für eine Tierpflegerin. Und da gab es doch auch mal das Ideal, ein Mensch müsse sich wohlfühlen, das merkt z.B. Ella sofort, ob sich jemand überhaupt für sie und ihre Wünsche interessiert.
Viel Glück, finde ich toll, dass Dir das nicht reicht.
Gruß Bettina
 
Gabriele schrieb:
"Man kann bei und mit ihr nicht mehr machen wie sauber, satt und trocken!" Ich bin immer noch sehr über diese Auskunft geschockt.

Hallo Gabriele!

Da bist Du nicht alleine geschockt. Mir graust bei der Vorstellung, das lief so einige Jahre... .Was wurde da für Zeit verschenkt, indem man das Mädel nicht ernst nimmt.
Du hast ja schon ein paar Tipps bekommen, Chris hat ja u. A. geschrieben, das er alles ganz "spielerisch" machen musste. Das habe ich bei meiner Malena auch festgestellt. Sie macht sehr gut mit, wenn es in einer fröhlichen Stimmung vermittelt wird, und es darf nicht nach Lernen aussehen. Dann stellt sie sich stur.
Schau mal im Forum unter "Unterstützte Kommunikation" nach. Vielleicht findest Du dort noch Tipps.

Viele Grüße, Ute
 
Hallo Gabriele!

Auch von mir nochmal ein Herzliches Willkommen im Forum! Es freut mich sehr, dass hier auch "Professionelle" reinschauen und aktiv Fragenstellen. Das traut sich nicht jeder! :respekt:

Ich würde Dir auch empfehlen, mal in das UK Forum zu schauen. Da sind viele Anregungen drin. Auch in unserer Mitgliederzeitschrift sind immer viele Erfahrungsberichte drin. Die kosten zwar 5€/Stück, aber es steht dort auch einiges drin, was nicht im Internet steht. Du bekommst sie über unsere Geschäftsstelle (www.rett.de).

Desweiteren kann ich Dir auch sehr unsere Therapeutenfortbildungen in der zweiten Jahreshälfte empfehlen!

Viele Grüße
Ulli
:wink:
 
UTE und DIETER mit MALENA schrieb:
und es darf nicht nach Lernen aussehen.

Hallo, :wink:

das ist bei Sabrina ganz genauso. Es darf keine Erwartungshaltung aufkommen. Sonst geht außer schaukeln, stark atmen und dem Händekneten überhaupt nichts. :nono_2:

Wir waren am Wochenende total perplex, als Sabrina alleine aufstand und den Weg zur Toilette einschlug. Neugierigerweise setzte ich sie ab und siehe da - die Madame hatte Stuhlgang. :confused4:
Wir üben ja schon wirklich jahrelang, es klappt auch prima, aber dass Sabrina sich allein auf den Weg macht, das gab's noch nie...

Viele Grüße! :blume76:
Ilona
 
Hallo!

Jaja, die Erwartungshaltung. Ich mache es bei Marlene (4 Jahre) immer (meistens) so, dass ich sie auffordere, etwas zu tun (Brötchen auswählen, Musik auswählen, Bildkarte auswählen) und zähle ich innerlich bis 15 und warte auf eine Reaktion. Bleibt sie aus, fordere ich sie nochmal auf und zähle wieder. Das klappt meistens prima und Marlene hat genug Zeit, sich zu entscheiden und sich dazu zu bequemen, ihre Hände und/oder Augen auf das Gewünschte zu richten. Wenn sie allerdings von sich aus etwas möchte, dann braucht es nicht mal die Aufforderung :happy09: .

Manchmal wende ich das auch bei meinem Sohn Julius (6 Jahre) an und da klappt das auch prima. Wenn ich zu ungeduldig bin, schüttelt Chris immer den Kopf und sagt: "Gib ihm halt auch mal die Chance, sich zu entscheiden!".:rolleyes:

Viele Grüße
Ulli
:wink:
 
Hallo Gabriele,
ich finde es gut, dass du an der Aussage, Hauptsache "satt und sauber"
deine Zweifel hast. Es haben dir ja jetzt schon viele Forumsmitglieder eine Antwort gegeben.
Auch meine Christina (20) schaltet sofort ab, wenn es ganz offensichtlich darum geht, zu therapieren. Es war eigentlich immer so, dass ich Tipps von den Therapeuten bekommen habe und die dann in den Alltag eingebracht habe.
Wird sie aber dort nicht mit einbezogen, rebelliert sie mit Hyperventilation und mit Anfällen.
Ich bin immer davon ausgegangen, dass bei Christina der Input vollkommen in Ordnung ist, aber alles was sie von sich geben muss, sehr langsam und auch ein wenig verdreht und ungeordnet kommt. Damit konnten wir immer sehr gut leben und Christina dankt uns dieses Verständnis mit sehr viel Liebe und Freundlichkeit und kleinen Fortschritten.

Ich wünsche dir viel Erfolg und eine ganze Menge Spass und Freude bei der Betreuung deines Schützlings.

Herzliche Grüsse
Rosmarie :blume76:
 
Gabriele schrieb:
"Man kann bei und mit ihr nicht mehr machen wie sauber, satt und trocken!" Ich bin immer noch sehr über diese Auskunft geschockt und kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass das alles sein kann. Aus eigener Erfahrung mit meinem Sohn (er ist autistisch behindert) haben betroffene Eltern immer einen wahren Schatz an Erfahrungen im Umgang und der Förderung ihrer Kinder.
Hallo Gabriele,

auch von mir ein herzliches Willkommen :blume76:

diese Aussage ist ungehäuerlich aber leider oft zu hören.
Jeder behinderte Mensch, sie es nun Rett oder eine andere Behinderung, hat ein Recht auf Forderung.
Toll das Du hier nachfragst, das heißt für mich schon das du dir Gedanken machst und mehr als nur "sauber, satt und trocken" für die Rett-Dame möchtest :daum3 .
Probier einfach mal aus, die Lady zeigt dir schon wo es lang geht. Allerdings ist sehr viel Geduld und Einfühlungsvermögen notwendig. Aber das kennst du bestimmt aus eigner Erfahrung mit deinem Sohn.

Von nix kommt nix und kommt ein winziges bisschen, ist das ein rießen Erfolg. Du bist jedenfalls auf dem richtigen Weg :daum3
 
Zuletzt bearbeitet:
Förderung

Hallo Gabriele,
schön, dass du dich hier im Forum "auf den Weg" machst, um nach einer angemessenen Förderung für deinen "Neuzugang" zu suchen. :daum3

Ein erster Schritt könnte sein Interesse wecken und die Interessen der jungen Dame suchen. Dabei sollte man immer daran denken, möglichst altersgemäße Inhalte zu wählen. Denn wie hier schon oft geschrieben - unsere:engel_29: können/wissen/verstehen viel mehr, als man ihnen auf den ersten Blick ansieht. Ein Einstieg könnte Musik sein.

Gut sind auch Computerprogramme, mit deren Hilfe man z. Bsp. Bücher anschaúen - oder sich auch vorlesen lassen kann (siehe Uk Forum).

Wichtig ist auch, dass man bei unseren Mädchen auf die ganz kleinen Zeichen (Blick - richtung/bewegung, Kopfbewegungen, Finger/Hände...) achten muss. Oft drücken diese Zustimmung/Abneigung aus. Wir müssen diese erkennen und interpretieren. Es bedarf an Überwindung, seinem eigenen Gefühl ("ich glaube - sie hat das vestanden - sie will dieses...") zu trauen und das laut für das Mädchen auszusprechen. Probier es aus und achte auf ihre Reaktion.

Bei der Diagnostik könnte dir auch eine ELEKOK - Beratungsstelle (Beratungsstelle für Unterstützte Kommunikation) behilflich sein. Dort sind erfahrene Sonderpädagogen, die nach einem Einstieg für die Unterstützte Kommunikation suchen.

UK ist sicher nur ein Baustein innerhalb des Förderkonzeptes - aber ich finde ein sehr wichtiger. Denn hier können unsere Mädchen auch mal ihre Bedürfnisse einfordern und im besten Fall auch mal Eigeninitiative entwicklen - und nicht immer nur "bespielt - basal stimuliert - klangmassiert - besnoozelt werden". Diese Fördereinheiten sollten immer nur ergänzend eingesetzt werden - nicht ausschließlich.

Ich hoffe du kannst mit den Anregungen was anfangen, wenn nicht :Phone:


Liebe Grüße:146:

Christiane
 
:dankeschö Ach, mit sooooo vielen, für mich und meine Maus wertvollen Tipps, hätte ich nie mals gerechnet. Es ist für mich halt absolutes Neuland mich in die Rett-Welt reinzudenken. (Bei Autisten bin ich da schon etwas erfolgreicher). Aber es ist schon sehr spannend und auch sehr bereichernd für mich (und ich hoffe inständig, mein:engel_29: hat viel Geduld mit mir). Das Angebot mit dem :Phone: ist sehr lieb gemeint und ich würde es gerne in Anspruch nehmen habe aber keine aktuelle Nummer finden können. Vielleicht könntest du mir deine :Phone: nummer mitteilen!?! Das wäre supertoll!!!
 
Hallo Gabriele

Einige Tips möchte ich auch noch loslassen: such etwas, was Dir selber Spaß macht. Eine meiner Beobachtungen ist die, dass meine Tochter dann am intensivsten bei der Sache ist, wenn es der Betreuerin auch gefällt was sie tut. So hat Julia z.B. sehr interessiert bei einem Geduldsspiel zugeschaut, an dem sich alle Erwachsenen versuchten. Eine andere liebe Betreuerin hat immer die Girli oder Mädchen oder Bravo und was es da so gibt mit Julia angeschaut, weil sie die selbst toll fand. Julia war gut bei der Sache. Auch Bekleidungskataloge mag Julia, weil da natürlich viele verschiedene Gesichter zu sehen sind.

Dann ist es vielleicht auch schön mit deiner jungen Dame eine Art Tagesplan zu erstellen. Was ist wann an diesem Tag angesagt. Das kannst Du mit Objekten (Teller fürs essen, Massageschwamm für die Massage) oder Fotos oder Symbolen ausprobieren. Hier ist Regelmäßigkeit wichtig. So eine Aktion könnte morgens immer zu Beginn stattfinden. Wenn das für sie nach einiger Zeit nachvollziehbar ist, kannst Du ihr die Aktivitäten dann auch zum Auswählen anbieten. Damit hat sie schon ein wenig Selbstbestimmung über ihre Freizeit.

Viel Erfolg wünscht Dir
 
Dank euren guten Tipps hat sich meine Maus gut in die Gruppe gut eingelebt. Ich möchte an dieser Stelle euch allen ein dickes Danke schön sagen!!! Ich bin mir noch immer unsicher, was meine Maus alles versteht und wo ihre Grenzen sind. Ich habe das Gefühl, das sie inzwischen doch an Vertrauen und Sicherheit gewonnen hat. Es ist einfach nur schön, wenn sie morgens beim Ankommen laut kichert. Es ist weniger schön wenn sie beim Abschied zu weinen anfängt. Mit der UK sind wir erst ganz am Anfang. Da ist halt sehr viel versäumt worden. Aber mit viel Geduld auf beiden Seiten wird das auch mit der Zeit besser klappen. Ich habe da sehr viel Vertrauen in meine Maus, sie wird jeden Schritt dann bewältigen, wenn sie dazu bereit ist. Das erste Mal in ihrem Leben wird sie in drei Wochen mit in Freizeit fahren. Wenn ihr hier noch Anregungen habt, immer her damit. Wir fahren in den Odenwald. Ich sage euch schon mal jetzt ein herzliches danke schön :blume76:
Ach so, wie steht es denn jetzt mit den Terminen zur Fortbildung in Ingolstadt? Weiß man da schon etwas Genaueres? Ich müßte jetzt doch so langsam mal Bildungsurlaub beantragen.
 
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