Familienleben

Christian

Registrierter Benutzer
Hi
Ich schreibe über das Thema Rett-Syndrom Zulassungsarbeit. Es soll neben Förderungsmöglichkeiten und Therapien auch das konkrete Leben in der Familie aber auch in Schule bzw.Vorschule/Födertagesstätte aufgezeigt werden.
Wer könnte mir von euch natürlich anonym kurz über das Alltagsleben mit einem Mädchen mit Rett-Syndrom berichten. Dabei wären für mich folgende Fragen besonders wichtig: Was macht ihr vor/nach der Schule? Habt ihr und wenn ja welche feste Alltagsrituale habt ihr? Wie merken eure Mädchen wann Wochenenden, Ferien etc. sind? Wie sehen Schulferien aus? Wie siehts mit Reisen aus? Welche Förderungen führt ihr mit euren Kindern durch? Und falls sie möchten - da sehr persönlich: Wie gehen sie als Eltern mit der zusätzlichen Belastung um?

Ebenfalls hilfreich wäre mir die Beantwortung dieser zwei Fragen: Wie war die Zeit vor bzw. nach der Diagnose Rett Syndrom? Wann wurde das Syndrom erkannt und war es eher eine Erleichterung, da Gewissheit entstanden ist (Frau Koch beschreibt dies so), oder eine Katastrophe?

Im voraus vielen Dank

Christian
 
Hallo Christian,

was das Thema Schule angeht, kann ich Dir leider nicht viel sagen, da unsere Marlene noch sehr klein ist (23 Monate). Aber ich kann etwas zu der Diagnosestellung sagen:

Also bei uns war es sehr früh. Uns ist schon mit 8 - 9 Monaten aufgefallen, dass etwas mit Marlene nicht stimmt. Sie hat sich nirgends hochgezogen und auch mit ihren Spielsachen nicht mehr richtig gespielt. Unsere Kinderärztin hat gesagt, dass es nomal sein kann und die Kinder ihren eigenen Rhytmus haben. Aus Sicht der Ärztin sicherlich richtig, da sie ja weiß, dass die Spannweite der Entwicklung sehr groß sein kann. Wir haben dann noch gewartet und Marlene weiter beobachtet. Mit 15 Monaten dann haben wir sie dann mit Unterstützung unserer Kinderärztin näher untersuchen lassen und waren in einem Frühdiagnosezentrum. Dort wurde das erste Mal gleich eine Entwicklungsstörung festgestellt. Marlene sei auf dem geistigen Niveau eines 5 monatigem Babies und motorisch auf dem Stand vom 9 Monaten. Dies hat uns sehr geschockt! So schlimm hatten wir es nicht erwartet.

Wir haben daraufhin viel im Internet und in Büchern über Entwicklungsverzögerungen gelesen und uns informiert. Dabei sind meine Frau und ich unabhängig voneinander auf das Rettsyndrom gestossen. Damals haben wir uns sogar gegenseitig davon nichts gesagt, da die Diagnose doch sehr schlimm wäre. Aber durch Marlenes Verhalten, dass sich mit den Beschreibungen in der Literatur gedeckt hat, konnten wir die Ärzte überzeugen, Marlene auf Rett zu testen. Ein paar Wochen später bekamen wir dann die Diagnose per Laborrechnung. Dies war nochmal ein großer Schock, der uns völlig unvorbereitet traf. Unsere zuständige Ärztin hatte es aus verschiedenen Gründen versäumt, uns vorher anzurufen und uns die Diagnose mitzuteilen. Vor allem meine Frau hat dort nochmal Rabatz gemacht, was aber im Endeffekt nicht mehr genützt hat. Wir hatten jetzt ganz andere Probleme.

Zunächst waren wir beide ziemlich fertig, obwohl wir uns ja schon mit Rett und seinen Folgen beschäftigt hatten. Aber die endgültige Diagnose stellt so etwas wie ein Urteil dar. Es flossen viele Tränen bei uns und bei unseren nahen Verwandten. Ich habe uns auch sofort bei der Elternhilfe angemeldet und wir erhielten gleich Anrufe von der Geschäftsführerin und einer Familie, die aus unserer Gegend kommt. Dies war sehr hilfreich, weil diese Gespräche sehr persönlich waren und wir vor allem viele Fragen stellen konnten. Außerdem hilft es immer, zu sehen, wie andere mit dem gleichen Problem umgehen. Nichtsdestotrotz muß man natürlich seinen eigenen Weg finden, da ja die Auswirkungen von Rett so verschieden sind. Und viele Fragen bleiben trotzdem erstmal unbeantwortet: Wird sie laufen können? Wie sieht es aus mit der Hygiene? Was können wir tun, um ihr zu helfen etc. Wie machen wir das mit ihrem Bruder (3 Jahre)? Haben wir genug Zeit für beide? ... usw.

Als wir die Diagnose dann hatten und uns wieder ein wenig gefangen hatten, waren wir erstmal mit den ganzen organisatorischen Dingen beschäftigt, Physiotherapie, Frühförderung, Arztbesuche, Pflegeversicherung usw.! Als wir das alles so einigermaßen auf die Reihe bekommen hatten, kehrte so etwas wie Alltag wieder bei uns ein.

Eine neue Erfahrung, die wir auch machen mussten, war die Reaktion von Verwandten und Freunden auf die Diagnose. Einige waren sehr einfühlend und wir hatten gute Gespräche. Bei anderen war so, dass sie damit gar nicht umgehen konnten und Floskeln wie: Ihr macht das schon etc. kamen. Toll! Bei manchen kam gar keine Reaktion oder haben es einfach ignoriert! Das war schon sehr interessant und depremirend. Aber man lernt eben auch, dass es nicht wenige gibt, die sich mit so einem Schicksal gar nicht oder nur sehr oberflächlich auseinandersetzen können oder wollen. Vielleicht sind hier unsere Erwartungen einfach zu hoch gewesen (uups, ich such schon wieder die Schuld bei uns :rolleyes: ).

Sehr hilfreich in dieser Hinsicht waren die Familientreffen der Elternhilfe! Wir haben dort nur nette Leute kennengelernt (schleim :love25: ), die uns wieder Mut gemacht haben, dass man mit einem Rettmädchen auch ein halbwegs normales Leben führen kann und muß! Wir haben es sehr genossen, die Fröhlichkeit dieser Familien erleben zu dürfen und waren von der ausgestrahlten Stärke einiger Familien doch sehr beeindruckt.

So Christian, ich hoffe, es ist Dir ein wenig geholfen. Ich fände es sehr schön, wenn Du uns am Ende Deiner Zula uns diese zur Verfügung stellen könntest. Es ist bestimmt für uns alle nicht nur als Betroffene sehr interessant, sie zu lesen. Ich wünsche Dir viel Erfolg bei der Arbeit! :computer_

Viele Grüße
Ulli
 
Beantwortung: Was macht ihr vor/nach der Schule?

In Lindas Schule gibt es die Möglichkeit, die Kinder zu um 7 oder zu um 8 Uhr zu bringen bzw. mit dem Schulbus bringen zu lassen. Nachmittags fährt der Schulbus um 15 Uhr die Kinder nach Hause. Der Schulhort ist noch länger geöffnet - ich glaube bis 17 Uhr. Ich lasse Linda morgens zu 7 Uhr abholen, da ich voll berufstätig bin und eine flexible Arbeitszeit habe, ist das eine sehr gute Möglichkeit für mich, beides unter einen Hut zu bekommen. Außerdem sind morgens noch nicht so viele Kinder da und Linda kommt ruhiger in den Tag hinein. Sie kommt um 15 Uhr in der Regel mit dem Schulbus nach Hause. An vier Tagen wird Linda (insgesamt 11 Stunden pro Woche) von der Einzelfallhelferin betreut, 1x gehen sie schwimmen (Fahrt mit dem Telebus), 1x zur Logopädie (zu Fuß, da in der Nähe der Wohnung), die anderen beiden Tage werden frei gestaltet. An einem Nachmittag komme ich zu 15 Uhr nach Hause.
 
Zuletzt bearbeitet:
Beantwortung: Habt ihr und wenn ja welche feste Alltagsrituale habt ihr?

Besondere Rituale habe ich eher nicht. Natürlich gibt es in der Woche immer bestimmte wiederkehrende Abläufe, besonders morgens vor der Schule und vor der Arbeit.
Ansonsten mag ich am Wochenende und in der Freizeit keine zeitlichen Zwänge, da wir diesen in der Woche schon permanent unterliegen. - Ich könnte mir vorstellen, dass bestimmte regelmäßige Abläufe für Linda sicherlich hilfreich wären. Auf der anderen Seite leben wir so jetzt schon 14 Jahre zusammen und sie nimmt hoffentlich das Treibenlassen am Wochenende auch als erholsam war :confused: :( ;)
 
Hallo Christian,

die Frage nach dem Leben mit einem Rett-Mädchen – tja, wo fange ich an?

Sofia ist 5 ½ Jahre alt. Vor der Schule, also frühmorgens, wecke ich drei Kinder so spät wie möglich, aber so, dass sie noch gut frühstücken können, Sofia braucht das. Dann muss Sofia komplett gewaschen und angezogen werden, mein großer Sohn (fast 11) braucht ziemlich viel Hilfestellung und die mittlere Tochter (9), kommt alleine zurecht.

Sofia wird von einem Fahrdienst abgeholt und gebracht, sie besucht die SVE einer Schule für geistig behinderte Kinder, im Anschluss die Tagesstätte an 4 Tagen bis 16.00 Uhr, freitags bis 14.30 Uhr. Fördermaßnahmen wie Ergotherapie und KG laufen im Rahmen der Tagesstätte.

Die freie Zeit tagsüber nutze ich für meine großen Kinder, für den Haushalt (klar) und alles, was sonst noch ansteht.

Die Möglichkeiten, mit den beiden größeren Kindern nachmittags etwas zu unternehmen, sind stark eingeschränkt, weil ich stets um 16.15 Uhr zuhause sein muss, spätestens. Im Sommer, im Winter, einfach immer. Notwendige Termine mit den beiden Großen werden frühnachmittags im Eiltempo eingeschoben, immer unter Zeitdruck.

Nach der Tagesstätte ist Sofia müde, sie möchte nur noch in ihrer gewohnten Umgebung sein und Musik hören und mit Decken spielen, etwas trinken und essen. Noch zu einem Termin aufzubrechen, wäre eine Riesenbelastung für Sofia und damit für uns alle, wir vermeiden das nach Möglichkeit. Nach 3 Stunden ungefähr geht sie dann schlafen bzw. in ihr Zimmer, wo sie manchmal einschläft, manchmal noch länger wach bleibt, aber relativ zufrieden ist. Dies sind so ihre Rituale, vor allem das abendliche Duschen, Haare waschen, Eincremen, Anziehen, die Fluortablette, die Schlafmusik.

Für mich persönlich öffnet sich in diesem Moment eine kleine Zeitlücke, vorausgesetzt mein Mann ist schon zuhause. Dann kann ich mal eine Stunde Sport einschieben und inlinern gehen oder laufen, oder einer von uns beiden bricht mit dem großen Sohn (der selbst viel Förderung braucht) noch ins Hallenbad oder in die Kletteranlage auf. Manchmal auch mit allen beiden großen Kindern. Sie kommen dann zwar relativ spät ins Bett, aber anders geht es bei uns kaum und Florian, mein großer Sohn, selbst von einer Nervenerkrankung betroffen, braucht die Förderung sehr, er kann sowieso kaum vor 22.00 Uhr einschlafen, es ist ein Teil seiner Krankheit.

An den Wochenenden und in den Schulferien ist auch Sofia ganz zuhause. Sie merkt das, weil sie ausschlafen darf und kein Bus kommt, weil alles etwas weniger hektisch zugeht. Außerdem erzähle ich ihr immer, dass heute kein Kindergarten ist und sie noch 1x/2x .... schlafen muss, bis sie wieder zu „den Kindern“ geht. Manchmal habe ich das Gefühl, sie versteht das.

Unternehmungen und Erledigungen jeder Art werden zunehmend schwieriger mit Sofia, weil sie momentan in einer sehr unduldsamen Phase ist – sie will nur aus dem Buggy raus und rennen (Sofia ist ziemlich fit körperlich). Wenn das situationsbedingt nicht möglich ist, bekommt sie Wut-, Schrei- und Tobsuchtsanfälle im Rehabuggy, bis wir jede Aktion abbrechen müssen. Die Konsequenz ist, wir als Familie müssen uns meist aufteilen. Ein Elternteil bleibt mit Sofia zuhause, der andere macht Erledigungen oder unternimmt etwas mit den großen Kindern.

Unsere großen Kinder müssen sehr zurückstecken, sind aber auch besonders selbständig für ihr Alter. Außerdem entwickeln beide, besonders Kristina, deutlich soziale Kompetenz. Florian ist aufgrund seiner eigenen Krankheit sowieso ein besonderer Fall, der selbst viel Aufmerksamkeit fordert. Ich achte darauf, dass die beiden Großen auch immer wieder meine ungeteilte Aufmerksamkeit bekommen indem ich mich so oft wie möglich frei mache, um mit ihnen etwas besonderes zu unternehmen (siehe den alten Forumsbeitrag).

Weitere Entlastung im Alltag haben wir durch Verhinderungspflege, die nutze ich auch viel um mit Florian die notwendigen Fahrten zu Ärzten, Kliniken und Therapien etc. zu machen, wenn ich es eben nicht bis 16.00 Uhr nach Hause schaffe. Außerdem gibt es seit neuestem eine Woche Kurzzeitpflege im Jahr, heuer zum ersten Mal, evtl. ist so auch mal ein Familienurlaub ohne Sofia denkbar?

Urlaub mit Sofia ist derzeit nicht möglich. Auch keine spezielle Kureinrichtung für Rett-Mädchen, wie z. B. Kirchberg an der Jagst. Nach einer Besichtigung der zwar wunderschönen – aber nicht für Sofia ausreichend abgesicherten Anlage – habe ich den Gedanken an jede Mutter-Kind-Kur im Keim erstickt. Sofia braucht definitiv viel Bewegungsfreiraum in einem geschützten Rahmen, diese Bedingungen findet man fast nirgendwo.

Die Diagnosefindung war schwierig bei Sofia, weil sie lange Zeit so untypisch Rett war. Zwar entwicklungsverzögert, besonders sprachlich, aber körperlich so fit, dass Rett klinisch ausgeschlossen wurde. Als Sofia 2 Jahre und ca. 3 Monate alt war, stieß ich durch Zufall auf den Begriff Rett-Syndrom über eine Fernsehsendung. Ich besuchte die Homepage der Elternhilfe fast ein ganzes Jahr lang regelmäßig, stellte so viele Gemeinsamkeiten fest, aber auch Unterschiede, die – wie ich selbst meinte – zu gravierend seien. Die Ärzte schlossen das Rett-Syndrom lange aus, bis ein 3/4Jahr später die Handwaschbewegungen einsetzten, pünktlich zum 3. Geburtstag. Daraufhin wurde der Gentest durchgeführt und bestätigte das Rett-Syndrom.

Die Diagnose für mich persönlich kein Schock, es war die Bestätigung einer insgeheimen Ahnung. Ich habe einen Prozess von fast einem Jahr durchlaufen, während dem ich mich innerlich mit dem Rett-Syndrom auseinandergesetzt habe. Ein Jahr in dem ich regelmäßig die Homepage der Elternhilfe besucht habe und alles nur verfügbare über Rett gelesen habe.

Die erste Zeit nach der Diagnose ging es mir relativ gut, der Gradmesser dabei war, dass Sofia nicht leiden muss und glücklich in ihrer eigenen Welt lebt. Erst als sie dann in die Regressionsphase geriet und ständige Wut- und Verzweiflungsausbrüche erlitt, hat auch mich die Trauer eingeholt. Dann habe ich mich wieder etwas gefangen, die größte Sorge bleibt die Frage nach der Zukunft im Erwachsenenalter von Sofia. Die Elternhilfe ist eine große Stütze für mich, im Vorstand Bayern mitzuhelfen gibt mir eher Kraft zurück als umgekehrt. Ich versuche, auch die positiven Seiten zu sehen, die aus der Gesamtsituation erwachsen. Z. B. alle die Menschen, die ich ohne besondere Kinder niemals kennen gelernt hätte, sind mir sehr viel wert. Oder alle die Umdenkprozesse, die bei mir eingesetzt haben seit das Leben nicht gerade glatt läuft. Ich nehme viel bewusster die nicht selbstverständlichen Dinge in meinem Leben wahr und letztendlich bin ich - glaube ich - nicht unglücklicher oder unzufriedener als die meisten Menschen in meiner Umgebung, eher sogar im Gegenteil?

Mehr über Sofia auf unserer Internetseite http://hometown.aol.de/klarahz/sofia.html


viele Grüße - Herta :computer_
 
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Beantwortung: Wie merken eure Mädchen wann Wochenenden, Ferien etc. sind?

Tja, dass Wochenende ist, bemerkt Linda spätestens dann, wenn ich morgens erst an ihr Bett komme, wenn sie bereits wach ist :D. Wir sprechen auch darüber, so wie in anderen Familien. z.B. sage ich Freitag morgen: "morgen können wir wieder ausschlafen, heute müssen wir noch einmal früh raus" etc.
Über die Ferien sprechen wir ebenfalls vorher. Der Schulbus fährt auch in den Ferien. Es ist jedoch immer ein anderer Fahrer als in der Schulzeit. Vom Schulhort bekommen wir einen Plan, in dem steht, was so für die Tage geplant ist. Das lese ich Linda jeweils vor.
 
Beantwortung Wie sehen Schulferien aus? Wie siehts mit Reisen aus?

wie eben schon beschrieben. In den Ferien ist der Schulhort geöffnet, ebenso wie in der Schulzeit. Es gibt einige Schließzeiten: Weihnachtsferien und zwei Wochen in den Sommerferien.
In den Sommerferien fährt Linda seit 1996 mit Sterntal e.V. für drei Wochen weg. (Dieser Verein, organisiert Reisen für schwerstmehrfach behinderte Kinder) Es fahren 10 bis 12 Kinder in einem Durchgang mit jeweils einem Betreuer, also eine 1-zu-1-Betreuung + zwei Betreuer für die Nachtwache. Dadurch ist gewährleistet, dass jedes Kind eine ganz individuelle Betreuung hat, also nicht nur Pflege sondern intensive Freizeitgestaltung auf das Bedürfnis eines jeden Kindes zugeschnitten.

Im Moment werden die behinderungsbedingten Mehrkosten vom Jugendamt übernommen. (ich kann es immer gar nicht so recht glauben, wenn ich das Bewilligungsschreiben wieder in den Händen halte) Die Reisegrundkosten tragen die Eltern abhängig von ihrem Einkommen.
 
Beantwortung: Welche Förderungen führt ihr mit euren Kindern durch?

Tja, ich selbst führe kaum Förderung durch, sondern organisiere sie für meine Tochter.
- in der Schule neben dem Unterricht in der Regel wöchentlich: Physiotherapie und Schwimmen
- zusätzlich 1x wöchentlich Schwimmen über ein SPZ (finanziert KK)
- 1x wöchentlich Logopädie (finanziert KK)
- 1x wöchentlich Kommunikationstherapie. (finanziert das Jugendamt)
Der Therapeut geht in die Schule, damit die Lehrerinnen von seiner Arbeit lernen und sie später übernehmen.

Die Einzelfallhilfe (11 Stunden nachmittags pro Woche) finanziert das Jugendamt (BSHG) und ich zahle einkommensabhängig dazu.

Zur Kommunikationstherapie gehören 14tägige Treffen, je 90 min, mit Therapeut, Einzellhelferin und mir (hin und wieder auch mit den Lehrerinnen - alle unter einen Hut zu bringen ist sehr schwierig). In diesen Treffen tauschen wir uns aus. Der Therapeut spricht über Dinge, die er durch Linda erfahren hat und wir erzählen aus unserem Alltag mit ihr. Sehr oft stellen wir fest, dass das was er von Linda "erfährt", zu Erlebnissen von den Tagen davor paßt.
 
Beantwortung: Wie gehen sie als Eltern mit der zusätzlichen Belastung um?

Da heißt es oft: "Augen zu und durch!" für die ganze Familie, nicht nur für mich als allein erziehende berufstätige Mutter, sondern auch für die Kinder, die die gestreßte Mutter aushalten müssen :(

Im Ernst:
Die Belastungen kann man nur verkraften, weil man seine Kinder liebt und für sie das beste möchte. Ich möchte Linda, genau wie ihre Schwestern, gut auf das Leben später vorbereiten und möchte, dass sie eine schöne Kindheit und Jugend hat. Da mobilisiert man alle Kräfte die man hat.
Wichtig ist, dass man mit seinen Kindern spricht - Rett oder nicht Rett-Kind, sie sollen wissen, dass man immer für sie da ist; sie müssen jedoch auch lernen, dass man nur ein Mensch ist und seine Grenzen hat. Also viel miteinander reden bzw. die wenige Zeit, die man miteinander verbringt, nutzen.

Ich selbst stoße immer wieder an meine Grenzen, zunehmend mehr. Das hat in erster Linie damit zu tun, dass man um vieles kämpfen muß und viele Sachbearbeiter (ob Amt oder KK) ihren Job nicht richtig machen. (Dazu habe ich schon etwas geschrieben, siehe:
Allgemeine Foren > "Kindergarten und Schule", Thema: "Schwer mehrfach behinderte Kinder fallen durchs Raster"

Ganz allgemein:
als Eltern behinderter Kinder muß man ein Meister in der Oranisation sein. Alle Linda-bezogenen Termine zu organisieren, bedeutet für mich: nicht jeden Termin, den mir ein Arzt / Therapeut / MDK der KK / Amt vorschlägt oder vorschreibt, zu akzeptieren. Z.B. bin ich nicht bereit, für einen einstündigen MDK-Besuch Linda aus der Schule zu nehmen und einen Tag Urlaub zu beantragen. Ich versuche - meist im Guten, manchmal auch mit Nachdruck - die Termine so zu legen, dass sie für beide Seiten zumutbar sind.
Eigene Arzttermine, bei denen man stundenlang warten muß, nehme ich - wenn nötig - mit Linda war. Die Wartezeiten sind dann nicht so lange. Ich scheu mich auch nicht, im Zweifelsfall meine persönliche Situation zu benennen (z.B. "ich bin eine alleinerziehende Mutter, berufstätig und habe ein behindertes Kind...."). In der Regel versucht man dann mir entgegenzukommen. Das ist überhaupt das Wichtigste, man darf sich nicht scheuen, auf die verschiedenste Weise um Hilfe bzw. Verständnis zu bitten. Das ist nicht einfach; auch ich mußte es lernen. Ich war es immer gewohnt, Kind und Arbeit miteinander zu vereinbaren (als meine Zwillinge kamen, war meine Älteste acht Jahre alt und ich war schon 14 Jahe berufstätig). Hilfe von Ämtern, KK etc. habe ich nie gebraucht. - Plötzlich ist man nicht mehr der Mensch, der alles schafft und man stößt an Grenzen... und muß lernen, sie zu akzeptieren.

Ganz großes Glück habe ich mit Rosa, Lindas Zwillingsschwester. Sie ist sensibel und stark zugleich. Ihr Naturell ist sehr gesund: Rücksichtnahme auf andere und gleichzeitig sich selbst nicht vergessen. Das hat sie sehr gut hinbekommen. Sie ist sehr selbstständig, um schulische Dinge muß ich mich fast nicht kümmern. Sie ist sehr gut organisiert, sehr aktiv (manchmal möchte ich sie mit einem Lasso einfangen...). Das erleichtert natürlich einiges, ich weiß nicht, was ich täte, wäre sie nicht so wie sie ist. (das sage ich ihr auch ganz oft)
 
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Beantwortung: Wann wurde das Rett-Syndrom erkannt und wie sind wir damit umgegangen?

Bei Linda wurde die Diagnose im September 1992 gestellt, sie war zweieinhalb Jahre alt. Zuvor waren wir immer auf der Suche. Linda war schon mit 15 Monaten einmal im Krankenhaus zur Diagnosefindung, später bei verschiedenen Ärzten. Erst in der Charité wurde dann 92 die vorläufige Diagnose gestellt. Prof. Hanefeld war zu dieser Zeit in der Familiengenetik der Charité, um dort zum Rett-Syndrom zu sprechen. Es wurden ihm bei der Gelegenheit mehrere Kinder vorgestellt.
Für mich war die Diagnose kein Schock, schlimmer war die Beantragung des Schwerbehindertenausweises einige Monate zuvor. Dieser amtliche "Stempel" macht Dir ganz plötzlich klar, dass die Befürchtungen, die man schon eine ganze Weile mit sich rumschleppt und vor sich her schiebt und nicht warhhaben will, Wirklichkeit sind, dass es wirklich Dein Kind getroffen hat und nicht irgend ein anderes.
Die Diagnose schafft einfach Klarheit. Die Ärzte habe ich dann nur noch gefragt: "Was wird Linda einmal können, wird sie laufen lernen, allein essen, sprechen....?" Dann hatte ich etwas, auf was ich mich einstellen konnte.

- Nur gut, dass man nicht von Anfang an weiß, was alles auf einen zukommt..., dass einem der Schock nach der Entbildung erspart bleibt. - Man wächst langsam rein in die Situation. So habe ich das immer empfunden.
 
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