Fragenkatalog für Dr. Laccone - Teil 2
3) Fragen zum Kreis der „Testobjekte“
Dr. Laccone schreibt in seiner Stellungnahme weiter, dass „die Kooperation [mit einer Pharmafirma] unabdingbar ist, um unterschiedliche Parameter, die für die Anwendung am Menschen untersucht werden müssen, zu klären.“ Neben der Frage, um welche Parameter es sich dabei handelt, stellt sich mir vor allem die Frage, an wem sie geklärt werden können. Ganz konkret:
3.1. Wie sieht es mit der Möglichkeit, an Menschenaffen die therapeutischen und die sog. Nebenwirkungen des Medikaments zu erforschen? Gibt es überhaupt die Möglichkeit, Primaten mit Rett-Syndrom zu züchten und an ihnen Tests durchzuführen? Oder beschränken sich die Versuche mit Primaten vielleicht nur auf den Test, ob auch bei ihnen das TAT-MECP2 die Blut-Hirn-Schranke überwindet und seinen Weg in die Kerne der Nervenzellen findet?
3.2. Falls es keine „Rett-Primaten“ geben sollte, bedeutet das dann, dass beim Medikamententest der Sprung direkt von männlichen „Rett-Mäusen“ auf unsere Töchter erfolgen muss? Trifft dabei meine Annahme zu, dass bei Menschen nur unsere Töchter als Testpersonen infrage kommen, da andere Menschen keinen Mangel an MECP2 leiden?
4) Fragen zu denkbaren bzw. möglichen Nebenwirkungen
Gerade für den Fall, dass Primatenversuche nicht möglich sein sollten, stellen sich mir als Vater und Menschen mit einem – besten- bzw. schlimmstenfalls – medizinischen Halbwissen einige bange Fragen.
4.1. Angesichts der Tatsache, dass sich bei unseren Töchtern i. a. das Kopfwachstum verlangsamt und sie in der Folge recht kleine Köpfe haben, kann es dann zu Problemen kommen, falls die Nervenzellen sich durch die Medikamentengabe mehr vernetzen und danach streben, wie bei gesunden Menschen weniger eng gepackt zu liegen? Könnte es dann aufgrund elementarer physikalischer Ungleichgewichte (Volumen des Schädels versus Raumbedarf des Gehirns) zu größeren Problemen kommen?
4.2. Gerade bei älteren Personen mit RS dürften sich manche orthopädischen Probleme (Skoliose, Kontrakturen) gegenüber ihren einst auslösenden neurologischen Ursachen verselbständigt haben. Ist nicht daher zu befürchten, dass es zu einem für diese Personen sehr problematischen Ungleichgewicht zwischen ihrem durch das Medikament erweiterten neurologischen Potential und dem Zustand ihres Bewegungs- und Stützapparats kommt?
4.3. Nach meiner Kenntnis sprechen alle bisherigen Erfahrungen dafür, dass die Wirkungen – egal, ob therapeutische oder sog. Nebenwirkungen - eines Medikaments, das in den Gehirnstoffwechsel eingreift, von Mensch zu Mensch beträchtlich variieren können. Können wir daher überhaupt begründet voraussagen, welche Konsequenzen das TAT-MECP2 für das psychische Erleben und das praktische Verhalten unserer Töchter haben wird?
4.4. Was wissen wir über die Wirkungen von (TAT-)MECP2 außerhalb des Gehirns?
5) Fragen zur Wirkdosis und zur Wirkzeit
Nach meiner Erinnerung hat Dr. Laccone bereits eingeräumt, dass das (TAT-)MECP2 wie praktisch jeder Stoff bei einer Überdosierung toxisch wirkt. Auf dem Hintergrund stellen sich mir folgende Fragen:
5.1. Gibt es gesicherte Erkenntnisse, in welcher Entwicklungsphase das MECP2 in welcher Menge in den Nervenzellen des gesunden Menschen vorkommt? Und kann man den Mangel bei unseren Töchtern messen, so dass sich aus beiden Werten zusammen im Idealfall die angemessene Dosis berechnen lässt?
5.2. Oder wird man sich bei der Dosierung an der klinischen Ausprägung des RS bei einer Patientin orientieren – nach dem Motto: geringe klinische Probleme, also geringe Dosis? Oder ist das Alter zu berücksichtigen, weil bzw. falls das MeCP2 nur in bestimmten Entwicklungsphasen benötigt wird? Spielt das Körpergewicht eine Rolle – und sei es nur, weil mit steigendem Gewicht die Dosis erhöht werden muss, um die gleiche Menge des Medikaments ins Gehirn zu bekommen?
5.3. Was erwartet Dr. Laccone, wann sich die (therapeutischen bzw. die Neben-) Wirkungen des TAT-MECP2 einstellen, um entsprechend die Dosierung regulieren zu können – nach Stunden, Tagen, Wochen, Monaten oder Jahren?