Sonde: ja oder noch nicht?

Agata B

Registrierter Benutzer
Hallo zusammen,
nach einigen Jahren gewisser Ruhe, wo wir "nur" mit der Baustelle Epilepsie zu tun hatten, geht jetzt erst richtig bergab. Eine Hüft-Op und eine Fuß -Op stehen an, Epilepsie hält uns sowieso fast jeden Tag auf Trab und seit ein paar Wochen haben wir mit einem Kind zu tun, dass wir nicht mehr wieder erkennen. Anna ist schlapp, noch dünner als sonst und sehr, sehr traurig. Es ist schwierig sie mit etwas zu begeistern. Dazu steht das Thema Essen jetzt im Mittelpunkt, angereicht mit Butter, Sahne, Öl - jede Mahlezit dauert allerdings zwischen 1 und zwei Stunden. Sie trinkt gut und schluckt Medikamente. Ist relativ gesund, also keine schweren Krankheitverläufe, Zähne auch in Ordnung. Wirkt aber zurückgezogen, schwach und schläft viel mehr als früher. Das Leben dreht sich aktuell um das Thema Essen und Futtern. Die Geschwisterkinder müssen daher komleptt zurückstecken, wenn die Anna zu Hause ist und gerade wach. Das Thema Kommunikation brauche ich gar nicht erwähnen, da sie einfach kaum mehr kommuniziert. Ich halte immer wieder Rücksprache bei unseren Ärzten im iSPZ, aber habe ich nicht das Gefühl, dass sie selber wissen, wie man es uns helfen könnte. Das einzige, was uns als Lösung angeboten wird, ist die Sonde, um sie etwas aufzupeppen. Ich und mein Mann tun wir uns dabei sehr schwer - wie ich in älteren Beiträgen gelesen habe, sind wir hier nicht die Einzigen. Sind wir schon soweit? Anna wird erst 9 Jahre alt. Gibt es hier eine Erfolgsgarantie, dass es unserer Tochter besser gehen wird? Vielleicht könnte mir jemand seine Geschichte kurz schildern, ob es rückblickend sich tatsächlich die Gesundheit der Mädchen verbessert hat? Danke für Eure Antworten.
Agata
 
hallo Agata,

das kenne ich auch dass das Thema Essen so richtig alles beherrschen kann. Weil es so existentiell ist sind Eltern da besonders schnell in Panik und die Sorgen wachsen ins Unermessliche. Ich habe zwar ein Rett-Mädchen das gut essen kann und das auch meistens gern tut, bin sehr dankbar darum, aber noch ein anderes Kind mit einer anderen Krankheit und der hält uns mit seiner Essstörung seit fast 27 Jahren auf Trab. Bei diesem Krankheitsbild sind organische Schluckstörungen gegeben, frühkindliche Ängste daraus gewachsen und mischen sich mit negativen Mustern und Machtspielen, alles unbewusst natürlich, zu einem Knoten den man heute nicht mehr lösen kann.

Aber du fragtest ja nach Magensonde. Meine Kinder haben beide keine Magensonde, Sofia braucht sie nicht und bei meinem Sohn habe ich zwar mal in Zeiten größter Verzweiflung versucht die Indikation abklären zu lassen, aber er hatte angeblich keine medizinische Indikation, was ich bis heute noch anzweifle.
Schon viele Jahre lese ich hier im Forum mit zum Thema und unter dem Suchwort Magensonde finden sich auch viele positive Berichte. Dass die Magensonde als Erleichterung empfunden wird weil sie Druck rausnimmt habe ich eigentlich immer heraus gelesen und von Eltern gehört. Ein Notzugang auch für Flüssigkeit und Medikamente. Die Ängste vor so einem großen Eingriff/Einschnitt in die Selbstbestimmung sind natürlich auch ernst zu nehmen. Andererseits kann man die Magensonde ja auch wieder entfernen wenn es gar nicht funktioniert oder sich der Zustand wieder verbessert. Natürlich gibt es auch Risiken mit Komplikationen, leider erlebe ich das gerade bei der Tochter von Bekannten mit, aber die Regel ist das doch eher nicht.

Wir haben dann noch eine Zwischenlösung gefunden für meinen Sohn. Vielleicht als Übergangslösung auch für euch weil Anna ja, wie du oben schreibst, gut trinken kann und Medikamente schluckt. Ergänzende medizinische Trinknahrung. Fresubin. Verordnungsfähig. Damit können wir sehr viel auffangen und auch Druck rausnehmen. Auch Sofia bekommt hin und wieder Fresubin, denn auch sie hat schlechte Tage wenn Schreiattacken oder Anfälle die Mahlzeiten sprengen. Mit der Diagnose Rett-Syndrom zahlt das auch die Krankenkasse. Man braucht nur eine normale Verordnung vom Arzt. Fresubin gibt es in verschiedenen Geschmacksrichtungen, mit 1,5 oder 2,0 Kalorien pro Milliliter, mit oder ohne Ballaststoffe.

Die Fresubin-Flaschen haben ein Mundstück mit dem Sofia sehr gut klar kommt. Durch leichtes Quetschen der Flasche kann man die Trinknahrung auch ein wenig "in den Mund schießen". Ich bin auch schon dazu übergegangen die leeren Fresubinflaschen für das Trinken zu nutzen. Denn beim Trinken muss ich schon immer sehr nachhelfen bei der Sofia.

Bei meinem Sohn war das definitiv eine gute Alternative zur Magensonde, hat uns mit der Essstörung deutlich weitergeholfen und er versorgt sich auch selbst jetzt ganz selbstverständlich mit dem Fresubin. Der hat ja wie gesagt eine andere Krankheit und kann selbständig handeln.

lg Herta
 
Hallo Agata,
Meine Tochter Mareike ist 23 und mit ca 10 Jahren hat sie eine Sonde bekommen. Bei ihr wurde eine Schluckdiagnostik durchgeführt und uns eine Sonde empfohlen, medizinisch notwendig. Sie bekommt seitdem ihre Flüssigkeit nur über die Sonde und das Essen, sie kann nur passierte Kost essen, bekommt sie weiterhin über den Mund. Seit wir die Sonde haben geht es uns besser, kein Stress mehr, sie trinkt zu wenig, oder wenn sie schlecht isst, bekommt sie Sondennahrung, auch wenn wir unterwegs sind ist es entspannt, da wir immer Sondennahrung dabei habe.
Lebensqualität hat sich für alle verbessert. Auch Mareike ging es danach besser, sie war nicht mehr so verschleimt und ist seitdem besser drauf. Ich kann es nur empfehlen. Bei weiteren Fragen melde dich!
LG Birgit
 
Hallo Agata,

auch ich kann Dir die Sonde nur wärmstens an Herz legen. Wir haben auch viel zu lange damit gewartet! Die Sonde ist relativ schnell gelegt. Man muss sich erst daran gewöhnen, dass ein Schlauch aus dem Bauch kommt. Das geht aber recht schnell.
Der Alltag wird sehr einfacher und entstresster! Allein das wird sich auf Euer Kind schon auswirken. Es ist nämlich egal, wieviel Euer Kind ißt oder trinkt. Das was fehlt, wird einfach nach der Mahlzeit sondiert. Die Sonde bedeutet ja nicht, dass Euer Kind gar nicht mehr essen kann oder will. Es kann dann essen, wenn es möchte und will. Die Essensituation artet für beide Seiten nicht mehr in Stress aus!
Es wird sich auch positiv auf die Gesundheit auswirken, dass Euer Kind genug Flüssigkeit bekommen und ausgeglichener sein wird, weil es eben nicht mehr dauernd durstig oder hungrig ist. Auch auf die Epilepsie kann es sich positiv auswirken, da einfach der Stress weg ist!
Ich kann Euch nur raten, probiert es aus! Die ganze Familie wird davon profitieren!
Wenn Ihr unerwarteterweise doch nicht davon überzeugt seid, dann könnt Ihr die Sonde wieder entfernen lassen. Am Bauch bleibt dann nur eine klitzekleine Narbe zurück. Aber ich bin mir sicher, dass Ihr die Sonde, einmal gelegt, nicht wieder entfernen werdet.

Wir könne auch gern mal darüber telefonieren.

Viele Grüße
Ulli
 
Hallo zusammen,
vielen Dank für Eure Antworten. Zur aktuellen Situation: Anna ging es in letzten Tagen wieder sehr schlecht, Anfälle trotzt Medikamentenerhöhung haben sich nur teilweise verbessert. Am Freitag und Samstag hatten wir wieder mehrere Grand Mals nacheinander und diesmal aus dem Schlaf heraus. Die Ärzte schieben es auf die angehende Pubärtät und psychologische Probleme. Wir sind aktuell mit der Situation überfordert und wollen nur dass es ihr endlich besser geht. Sie ist so klug und strengt sich an um mehr zu essen. Sie trinkt jetzt jeden Tag Fresubin - danke Herta für den Tipp!!! - und zwar die ganze Flasche. Sie ist aber weiterhin sehr schwach, blaß und hat große Augenringe. Die Ärzte raten uns dringend eine PEG-Anlage an, damit sie zu den Kräften kommt. Der OP-Termin steht schon fest: 12.11. in der Haunerschen Kinderklinik. Wir werden uns dazu entscheiden, da sie unbedingt fitter werden muss, um wenigstens Kraft wieder zu bekommen, um mit uns zu kommunizieren. Das grundsätzliche Problem liegt eher daran, dass sie frustriert ist. Sie möchte Freunde haben, ausgehen und das Leben geniessen. Zu Corona-Zeiten ist es nicht so ganz vorhanden. Und wir sehen, dass sie mit ihren Einschränkungen nicht zurecht kommen kann.

Ich berichte, wie sich das Ganze weiter entwickelt.
Wir danken Euch für Eure Unterstüzung!
Agata und Roman
 
hallo Agata und Roman,

das ist bestimmt der richtige Weg. Ich hoffe euch geht es jetzt schon ein bisschen besser nachdem die Entscheidung gefallen ist. Und wenn ihr mit dem Fresubin bis zum OP-Termin überbrücken könnt, super.!
Wenn das alles überstanden ist, die Operation und auch die Pandemie, hoffe ich für uns alle auch wieder auf normale Zeiten. Bis dahin kann Anna wieder Kraft aufholen und bestimmt blüht euer Mädchen bald wieder auf.
Und vielleicht sehen wir uns wieder bei der Rett-Freizeit 2021, das wäre schön.

lg Herta
 
Hallo Agata und Roman, wir haben uns auch echt schwer getan uns für eine PEG Anlage bei unserer Tochter Franziska zuentscheiden. Aber bei Franzi war immer das Trinken ein großes Thema. Wir haben uns immer selber unter Druck gesetzt,das sie genügend Flüssigkeit zu sich nimmt. Letztes Jahr, Franzi war 11 Jahre alt, haben wir uns im Super heißen Sommer für eine PEG entschieden. Zeitweise hat sie nur 50 ml Flüssigkeit zu sich genommen. Im Juli 2019 bekam sie die PEG gelegt. Für uns war es die richtige Entscheidung und auch für Franzi. Sie ist seitdem nicht mehr so abgeschlagen und sie trinkt auch weiterhin noch aus ihrem Becher. Die Flüssigkeitsmenge schreiben wir täglich auf und schauen das wir Franzi pro Tag ca. 1,2-1,5 Liter Flüssigkeit geben . Ich finde es auch immer schwer über die Köpfe unserer wundervollen Mädchen zu entscheiden, aber ich glaube ihr werdet diese Entscheidung nicht bereuen. Da Franzi immer gerne mit ihrem T-Shirt oder Pullover spielt, haben wir uns im Juli 2019 ,noch im OP Aufwachraum ( der Chirug der Kinderklinik Sankt Augustin war dabei ) zu einem Tausch zum Button entschieden. Im Januar diesen Jahres wurde ein Zwischending zwischen PEG und Button gelegt. Der Button wurde dann im Februar diesen Jahres ohne Narkose gelegt, und der sieht nur noch wie ein Druckknopf aus. Den Button kann man bei Bedarf,wenn er kaputt ist selber tauschen. Ich wünsche euch viel Kraft und bleibt gesund.
 
Lieben Dank für die aufbauenden Worte und informative Berichte. Die Entscheidung ist zwar gefallern, allerdings bin ich noch nicht so richtig erleichtert. Ich muss zugeben, dass es noch eine kleine Hoffnung in uns steckt, dass sich der Gastroenterologe am 27.10 (Vor-OP-Bsprechung) dagegen entscheidet. Tatsächlich geht es Anna etwas besser: sie ist wieder fröhlich und laut :-) Aber ich vermute ganz stark, dass wir es dem regelmäßig verabreichendem Fresubin verdanken. Und ihre Schulbegleitung ist nach drei Wochen wieder da und nimmt sich richtig Zeit für die Mahlzeiten. Ich glaube, das reicht jedoch nicht, um eine dauerhafte Verbesserung zu erreichen. Auch die Flüssigkeitsaufnahme ist bei uns ein Thema. Anna kommt definitiv nicht auf 1.2 Liter pro Tag, aber 500 ml trinkt sie auf jeden Fall. Bei ihren knappen 19 kg Gewicht bei 130 cm Größe wird die Entscheidung am kommenden Dienstag endgültg fallen. Ich berichte Euch danach wie es weiter geht. Hauptsache der Maus geht es besser. Liebe Grüße und bis bald!
 
hallo Agata,

um die Flüssigkeitsversorgung von Sofia sicher zu stellen flöße ich seit 5 Jahren die fehlende Menge mit Einwegspritzen ein. Klares Wasser aus der Leitung. Weil Sofia gut schlucken kann, sogar im Liegen, ist das sehr effektiv und geht recht schnell. Die Einwegspritzen sind Größe 10 ml oder 20 ml.

Und die leeren Fresubinflaschen mit Getränken befüllen, das geht auch gut.

Hier kann der Flüssigkeitsbedarf von Kindern berechnet werden -> https://www.msdmanuals.com/medical-calculators/MaintenanceFluidChildren-de.htm

lg Herta
 
Liebe Herta, ich wollte längst darüber berichten, es kommt allerdings immer was neues raus... Anna hatte am 12.11. die PEG-Op. Sie alles sehr gut überstanden und schon im KH 1 Kg zugenommen. Wir waren überglücklich, da unser Kind nicht mehr so unterernährt und schwach war. Da wir uns anfangs streng an die ärztlichen Hinweise gehalten haben, hat Anna innerhalb von 3 Wochen 3 kg zugenommen. Es war uns etwas zu schnell. Sie hatte dann nicht mehr Kraft ihren Körper gerade zu halten und zu laufen. Verdauungsprobleme inkl. Erbrechen haben begonnen. Deswegen haben wir die Kalorienmenge reduziert, was etwas Überzeugunsarbeit bei den Ärzten kostete. Am 15.12. wurde der Schlauch gegen einem Button ausgetauscht. Seit dieser Zeit kämpfen wir mit einer großen Entzündung am Sondeneingang. Anna will aktuell weder essen nich trinken. Wir versuchen die Wunde so gut wie möglich zu pflegen. Es macht allerdings die Weihnachten weniger fröhlich. Ein Kinderchirurg, der die Anna bei der Notaufnahme gesehen hat (wir sind jetzt in unserem Ferienhaus in Polen) meinte, dass vermutlich die Grösse des Buttons nicht passend sei. Es kommt viel Magensäure raus und die Haut entzündet sich. Roman beklebt den Raum zwischen Bauch und Button mit vielen Schichten von Askinapads, damit alles dicht wird. Wir sind also gut beschäftigt mut Futtern, Sondieren und mit der Pflege. Wir hoffen aber stark, dass diese Probleme nur am Anfang auftreten und dass die Situation sich endlich entspannt.
Sehen wir uns morgen beim JHV? Liebe Grüße
Agata
 
Ach ja, Positives gibt es doch noch zu berichten: von drei bis 20 Anfällen täglich auf einen pro Woche reduziert
 
Für Anna alles alles Gute weiter auf dem Weg zur Genesung !

Ja natürlich heute ist virtuelle JHV und da sehen wir uns alle über die Kamera :)

lg Herta
 
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