Wutanfälle

Isolde(Passau)

Active Member
Hallo, ihr Lieben,

kennt das jemand von euch?
Marie hat täglich furchtbare Wutanfälle:
Sie schreit extrem laut und der Zorn funkelt in ihren Augen. Sie kommen völlig unberechenbar plötzlich daher. Heute sind wir z.B. in die Stadt zum Christkindlmarkt gefahren. Wir haben ihr genau erklärt, was wir vorhaben, trotzdem fing sie im Auto an zu brüllen und zu toben - in der Stadt am Parkplatz angekommen, war ihr plötzlich alles klar und sie strahlte wieder wie ein Honigkuchenpferd. Es geht uns mittlerweilen so an die Substanz. Zum Glück ist unser Nachbar in der anderen Doppelhaushälfte so gut wie taub - sonst würden wir wahrscheinlich schon massive Probleme haben.
Wenn sie so wütend ist, hilft auch kein Kommunikation über den Tobii, sie blendet sich völlig aus und ist eben nur noch am Schreien und Toben.
Das geht nun schon seit ein paar Jahren so - und wir beide sind ziemlich ratlos.
Gegen eine medikamentöse Behandlung mit Risperdal wehren wir uns nach wie vor.
Fällt jemand etwas anderes ein??????

LG
Isolde
 
Liebe Isolde,

wir hatten das so ähnlich mit Lotta. Wenn sie sich mal in was reingesteigert hatte, gab es (fast) kein zurück mehr. Sie hat teilweise geweint, nein gebrüllt, bis zum Erbrechen. Manchmal hatten wir das Gefühl, es war Überforderung (zuviele Eindrücke), manchmal war es einfach gegen ihren Willen. So, wie du es beschreibst: Wir wollten los in den Tierpark. Im Auto Gezeter und Geschrei. Dort angekommen, gab's dann den "Ach so, hier sind wir jetz" - Effekt... um dann 20 min später vor Erschöpfung einzuschlafen...
Oft hat sie sich dann auch selbst verletzt, gekratzt etc. Dieses Gebrüll ging teilweise über Stunden.
Wir waren bei Prof. Wilken und schilderten ihm unser Problem. Wir bekamen Clonidin. Dies ist ein Blutdruckmittel. Als "Nebeneffekt" wirkt es "ausgleichend". Es wird z. B. auch bei den Tourett-Syndrom angewendet und der Patient hat dann weniger Ticks. Warum? Das weiß man nicht. Aber schlimmstenfalls wirkt es nicht und der Blutdruck wird leicht gesenkt.

Wir ließen es auf einen Versuch ankommen und ich kann nur sagen, es hat unser uns Lottas Leben völlig - zum Positiven - verändert. Zunächst fiel uns auf, dass sie tatsächlich weniger "Ticks" hatte, wie z.B. dass sie sich kaum noch so plötzlich ins Gesicht schlug. Am Anfang war sie recht müde, doch das gab sich nach 2-3 Wochen. Sie ist zugänglicher, steigert sich nicht mehr so katastrophal in Sachen rein. Wir haben schon öfter probiert, das Clonidin wegzulassen - war nicht gut... Uns bestätigt das, dass es uns hilft. Sehr sehr gut sogar. Und sie hat keinen zu niedrigen Blutdruck - der wird regelmäßig gecheckt. Sie bekommt nach dem Mittagessen 1/2 Tablette und vor dem Zubettgehen 1 Tablette. (Clonidin 75)

Prof. Wilken sagte uns auch, dass das nicht bei jedem so hilft. Alternativ schlug er uns noch ein Antidepressivum vor. Aber Clonidin war unsere und seine erste Wahl und wir sind zufrieden.
Ein schöner Nebeneffekt war auch, dass das Durchschlafen seitdem viel besser klappt. Nicht immer - aber deutlich besser als zuvor.
Bei Fragen - gerne fragen!

Liebe Grüße und starke Nerven
 
Hallo Isolde,

etwas verspätet mit der Antwort aber dafür mal was Neues.

Gegen Risperdal wehre ich mich auch noch immer und das EKG lässt es gar nicht zu wegen verlängerter QT-Zeit. Ansonsten tobt auch Sofia ungebrochen bis heute :( der Alltag ist enorm belastet.

Sofia nimmt aktuell (seit 1,5 Jahren) aus der Gruppe der aktivierenden Antiepileptika Levetiracetam (Keppra) und die Wutanfälle lassen nicht nach. Auch wenn es gegen die Anfälle soweit gut hilft. Möglicherweise ist die Wut sogar eine Nebenwirkung auf Keppra. Genau lässt sich das nicht abgrenzen weil Sofia auch vorher und immer schon extrem heftig geschrieen hat. Schreien mit Toben und Selbstverletzung. Ich kann nicht wirklich sagen ob es schlimmer geworden ist unter Keppra, denn schwieriger wird es ja ständig allein schon durch das Wachstum.

Jetzt soll sie genau aus diesem Grund auf Carbamazepin umgestellt werden. Aus der Gruppe der dämpfenden und beruhigenden Antiepileptika.

Als Alternative zu einem Zweitmedikament wie Risperdal.

Dann gibt es noch die Option das Antiepileptikum mit der Minipille zu kombinieren was für Sofia als zweiter Schritt geplant ist sofern die Umstellung auf Carbamazepin allein nicht die Wunschwirkung zeigt. Werden wir aber erst im Herbst diesen Jahres oder so wissen.

Zum Stichwort "Kombination mit Minipille" gibt es vereinzelt gute Erfahrungen, ist aber relativ unbekannt. Für mich komplett neu. Eine Mutter hat es auf unserem letzten Treffen in Vogtareuth erzählt, im Sommer erscheint unser Protokoll in der RettLand, darin wird das dann auch erwähnt. Zyklusbedingte Anfallsmuster, Gefühls- und Stimmungsschwankungen können evtl. aufgefangen/positiv beeinflusst werden. Wenn man drüber nachdenkt dass bei vielen Rett-Mädchen die Anfälle erst mit der Pubertät beginnen und auch das Verhalten dann oft sehr schwierig wird, scheint es irgendwie logisch einen Zusammenhang mit den Hormonveränderunen zu geben und Schwankungen können nicht gut sein. Die Minipille stabilisiert genau diese Hormonschwankungen. Wir sollten hier im Forum dazu Erfahrungen sammeln.

Die Kombination mit der Minipille geht übrigens auf Dr. Huppke in Göttingen zurück.

So suchen auch wir immer noch den richtigen Weg mit Sofia. Ich warte gerade auf den Umstellungsplan zum Aus- und Einschleichen und auf die Rezepte.

Wenn Sofia nicht diese verlängerte QT-Zeit im EKG hätte, dann hätte ich Risperdal glaube ich wenigstens mal ausprobiert, aber so ist mir das Risiko zu hoch dass tödliche Herzrhythmusstörungen ausgelöst werden.

LG Herta
 
Hallo Herta,
was bedeutet denn diese veränderte Zeit beim EKG eigentlich?Ist mir gerade ein bisschen kompliziert...
Ich nehme ja selbst Keppra und hatte dir meine "Nebenwirkungen" ja in einem anderen Thema auch schon mal beschrieben.
Ich hoffe, dass Sofia das neue Medikament jetzt hilft.
Liebe Grüße, Gina
 
Zum Stichwort "Kombination mit Minipille" gibt es vereinzelt gute Erfahrungen, ist aber relativ unbekannt. Für mich komplett neu. Eine Mutter hat es auf unserem letzten Treffen in Vogtareuth erzählt, im Sommer erscheint unser Protokoll in der RettLand, darin wird das dann auch erwähnt. Zyklusbedingte Anfallsmuster, Gefühls- und Stimmungsschwankungen können evtl. aufgefangen/positiv beeinflusst werden. Wenn man drüber nachdenkt dass bei vielen Rett-Mädchen die Anfälle erst mit der Pubertät beginnen und auch das Verhalten dann oft sehr schwierig wird, scheint es irgendwie logisch einen Zusammenhang mit den Hormonveränderunen zu geben und Schwankungen können nicht gut sein. Die Minipille stabilisiert genau diese Hormonschwankungen. Wir sollten hier im Forum dazu Erfahrungen sammeln.

Die Kombination mit der Minipille geht übrigens auf Dr. Huppke in Göttingen zurück.

LG Herta

Hallo Herta,
Du solltest eventuell eine/n Endokrinologen (Hormonarzt) hinzuziehen. Wir hatten 2010 das Problem, dass Ronja nach der Gabe eines verhütenden Medikamentes (Bei uns 3-Monatsspritze) heftigste Veränderungen zeigte. Nach der Hormoneinstellung durch die gynekologische Endokrinologin hat sich bei Ronja die Mensis beruhigt. Die Epilepsie ist erträglich und die Schreizustände sind verschwunden.
 
Hallo Gina,

das mit der QT-Zeit kann ich selbst nicht richtig einordnen.
Sofia hat mit 98 - 99 % Wahrscheinlichkeit nicht das Long-QT-Syndrom, zumindest nicht auf den 6 häufigsten Gen-Orten. Das wurde 2014 mit einem Gentest ausgeschlossen.
Bleiben aber noch 9 weitere Gen-Orte auf denen eine Mutation sitzen könnte die man aber normal nicht testet, außer bei familiärer Vorbelastung. Haben wir nicht. Und es bleiben all die möglichen noch nicht bekannten Gen-Orte. Darum kein 100 % Ausschluss.

Symptomatisch zeigt sich im EKG eine verlängerte QT-Zeit. Grenzwertig, aber messbar.

Long-QT-Patienten dürfen kein Risperdal nehmen, zum Beispiel. Und eine Reihe anderer Medikamente auch nicht. Wer das Long-QT-Syndrom hat muss eigentlich für jedes Medikament die schwarze Liste checken ob es eine Kontraindiaktion gibt. Das gilt auch für sogenannte "harmlose" frei verkäufliche Medikamente wie manche Mittel gegen Reisekrankheit oder Hustensäfte!! Und so viele Antibiotika!! Es ist echt ein wichtiges Thema. Welcher Hausarzt schreibt schon ein EKG bevor er einem Kind ein Antibiotika verordnet? Weil das Long-QT-Syndrom ja keine Beschwerden macht sind es oft nur Zufallsbefunde die es ans Licht bringen.

Sofia hat also mit 1 - 2 % Unklarheit nicht das Long-QT-Syndrom aber deswegen gibt es keine 100%-Sicherheit dass sie Risperdal vertragen würde. Schlimmstenfalls kommt es zu Rhythmusstörungen mit Todesfolge.

Die Ärzte würden es ggf. mit Langzeit-EKG-Kontrolle erlauben aber ich möchte ein Null-Risiko und das kann mir niemand garantieren. An diesem Punkt hänge ich fest, eine Gewissenfrage für mich und so suche ich andere Wege ohne Risiko um das Verhalten positiv zu beeinflussen ohne Gefahr für Sofia. Es kommt auf den Leidensdruck drauf an und ist eine persönliche Abwägung aller Faktoren. Vielleicht ist es schon nächstes Jahr ganz anders?? aber heute denke ich dass wir diesen Tag auch noch schaffen und morgen genauso und so gehen die Wochen und Monate ins Land. Jetzt schreit sie schon seit 12 Jahren und in dieser Heftigkeit seit 6 Jahren. Doch man kann sich ja zwischendurch auch immer mal wieder regenerieren, Kurzzeitpflege nutzen, bei Ausnahmen Tavor einsetzen usw.


Hallo Gerhard,

die Idee mit der Minipille betrifft jetzt (noch) nicht Sofia, es war lediglich eine Information auf einer Elternveranstaltung über die man erst mal Erfahrungen sammeln müsste, z. B. Elternerfahrungen hier im Forum.

Ggf. würde ich das bei Sofia ausprobieren als Alternative zu Risperdal (auch wenn Dr. Huppke am Telefon herzlich gelacht hat über diesen laienhaften Vergleich zweier keineswegs vergleichbarer Medikamente :D ) aber erst mal abwarten wie das neue Medikament Carbamezepin mit seiner dämpfenden und entspannenden Wirkung anschlägt. Wir wollen das Ergebnis ja nicht durch Hormongaben irgendwie verschleiern, darum erst mal Carbamazepin "pur".

Was waren das für Veränderungen bei Ronja? So wie du es beschreibst lese ich auch wieder einen Zusammenhang von Hormonen mit Anfällen und Verhalten heraus. Wenn die 3-Monatsspritze erst mal gegeben ist kann man sie ja gar nicht mehr aus dem Körper herausnehmen vor Ablauf der Depotwirkung so wie man die Pille dagegen absetzen könnte? Was habt ihr dann gemacht?

:wink: Herta
 
Hallo Gerhard,

die Idee mit der Minipille betrifft jetzt (noch) nicht Sofia, es war lediglich eine Information auf einer Elternveranstaltung über die man erst mal Erfahrungen sammeln müsste, z. B. Elternerfahrungen hier im Forum.

Ggf. würde ich das bei Sofia ausprobieren als Alternative zu Risperdal (auch wenn Dr. Huppke am Telefon herzlich gelacht hat über diesen laienhaften Vergleich zweier keineswegs vergleichbarer Medikamente :D ) aber erst mal abwarten wie das neue Medikament Carbamezepin mit seiner dämpfenden und entspannenden Wirkung anschlägt. Wir wollen das Ergebnis ja nicht durch Hormongaben irgendwie verschleiern, darum erst mal Carbamazepin "pur".

Was waren das für Veränderungen bei Ronja? So wie du es beschreibst lese ich auch wieder einen Zusammenhang von Hormonen mit Anfällen und Verhalten heraus. Wenn die 3-Monatsspritze erst mal gegeben ist kann man sie ja gar nicht mehr aus dem Körper herausnehmen vor Ablauf der Depotwirkung so wie man die Pille dagegen absetzen könnte? Was habt ihr dann gemacht?

:wink: Herta

Hallo Herta,
2010 war ein - für Ronja - besch...... Jahr. Sie hat von Ihrem Gynäkologen wegen unregelmäßiger Mensis - mal nix, dann wieder 1,5 Liter Blutung an einem Wochenende mit Koagelabgang - die 3-Monatsspritze(Depot-Clinovir) im Feb. 2010 erhalten. Im Monat Mai wurde sie erneuert.... Das war der Fehler des Jahres. Siehe hierzu auch Kathy Hunter, Das Rett-Syndrom-Handbuch, S. 144+145!!

da Ronja mit 1,40 Meter Größe und einem Gewicht von ca. 40 KG ein "Leichtgewicht" ist, war die Gabe von Depot-Clinovir viel zu hoch dosiert. Da Ronja zugleich auch noch Vimpat (Lacosamid) erhielt, kam es hier zu einer unglücklichen Verquickung mit der 3-Monatsspritze.

Im Mai 2010 konnte Ronja während des Familien-Wochenendes unseres LV´s am Samstag nach dem Abendbrot urplötzlich nicht mehr gehen und stehen. Da wir einen Rolli mithatten, war das kein Problem. Aber dieser Zustand aus :
  1. Nicht laufen/gehen
  2. Schrei-Attacken
  3. Wutanfällen
  4. Gewaltausbrüchen (Treten, Beißen, Schlagen)
dauerte bis Oktober 2010. Dann haben wir - in Zusammenarbeit mit der Epilepsieambulanz des ev. KH Alsterdorf - das Vimpat ambulant ausgeschlichen, um dann das Apydan (Oxcarbazepin) einzuschleichen. Orfiril (Valproat) und Keppra (Levetiracetam) blieben von dieser Umstellung unberührt. Eine stationäre Aufnahme konnte nicht erfolgen, da - just zu diesem Zeitpunkt - die Intensivstation generalgereiningt wurde. Es kam wie es kommen musste...

Am 09.12.2010 musste Ronja mit Blaulicht und Notarzt in das örtliche Friedrich-Ebert-Krankenhaus in Neumünster. Dort hatte sie dann noch einmal - wie auch schon beim Transport - eine Serie von fokalen Grand-Mal Anfällen. Nach stationärer Umstellung auf die Dreifachkombi:
  1. Orfiril
  2. Keppra
  3. Apydan
die in telefonischer Zusammenarbeit der Neurologen aus dem FEK.Neumünster und deem ev. KH Alsterdorf erfolgte, war unsere Tochter sofort wieder Anfallsfrei.

Auf Anraten unserer Neurologin aus der Epilepsieambulanz Hamburg haben wir dann eine gynäkologische Endokrinologin (Frauenärztliche Hormonfachärztin) hinzugezogen. Dies erwies sich als Glücksgriff. Die Ärztin kannte das Rett-Syndrom und konnte nach unserer Beschreibung sofort sagen, dass Ronja zu klein - auch Hirnmäßig - für eine 3-Monatsspritze ist. Ausserdem hat sie eine Östrogen- und Gestagenunterversorgung festgestellt. Beide Hormone werden jetzt über Tablettenform bzw. Gel verabreicht. Seitdem geht es Ronja mit der Mensis wieder gut. Seit einigen Monaten ist sie gar nicht mehr aufgetreten. Allerdings benötigt die Hormanärztin eine Kopie von jederneurologischen Untersuchung um eine Komplikation von Epilepsiemedikation und Hormongabe auszuschliessen.

Deshalb weise ich bei Medikamenten zur Verhütung (Pille/Implantat/Spirale) in Zusammenhang mit epileptischen Rett Frauen/Mädchen immer darauf hin, eine/n gynäkologische/n Endokrinologen/in zu Rate zu ziehen. Man muss Fehler nicht wiederholen, die sich vermeinden lassen...
 
Hallo Gerhard,

ein wichtiger Hinweis, danke, werde ich im Hinterkopf behalten falls es bei uns mal ein Thema wird mit einer Hormongabe. Das ist ja ein sehr komplexes Thema. Furchtbar dieses 2010 bei euch......

Viele liebe Grüße
Herta
 
Hallo Herta,
vielen Dank für den Link.
Ich bin total überrascht, denn zwei der Autoren sind Ronjas behandelnde Ärzte: Frau Dr. Schwenkhagen, gynäkologische Endokrinologin und Dr. Stohdiek, Chefarzt der Epilepsie-Ambulanz Hamburg und der neurologischen Abt. des ev. KH Alsterdorf. Vielen Dank. Das zeigt uns, das wir mit Ronja bei den richtigen Ärzten in Behandlung sind...
 
Das mit den Wutanfällen klingt nicht gut, hast du dir da mal Rat miteinbezogen? Bzw. Ist denn Besserung in Sicht?
 
Hallo, ihr Lieben,

kennt das jemand von euch?
Marie hat täglich furchtbare Wutanfälle:
Sie schreit extrem laut und der Zorn funkelt in ihren Augen. Sie kommen völlig unberechenbar plötzlich daher. Heute sind wir z.B. in die Stadt zum Christkindlmarkt gefahren. Wir haben ihr genau erklärt, was wir vorhaben, trotzdem fing sie im Auto an zu brüllen und zu toben - in der Stadt am Parkplatz angekommen, war ihr plötzlich alles klar und sie strahlte wieder wie ein Honigkuchenpferd. Es geht uns mittlerweilen so an die Substanz. Zum Glück ist unser Nachbar in der anderen Doppelhaushälfte so gut wie taub - sonst würden wir wahrscheinlich schon massive Probleme haben.
Wenn sie so wütend ist, hilft auch kein Kommunikation über den Tobii, sie blendet sich völlig aus und ist eben nur noch am Schreien und Toben.
Das geht nun schon seit ein paar Jahren so - und wir beide sind ziemlich ratlos.
Gegen eine medikamentöse Behandlung mit Risperdal wehren wir uns nach wie vor.
Fällt jemand etwas anderes ein??????

LG
Isolde


Alter Beitrag, aber bei uns ebenso aktuell.
Allem Voran: Jenni hat keine Epilepsie.

Wir reden über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren. Zuerst kamen aus der Kurzzeitpflege Beschwerden wegen dauerhaftem Schreien mit der Forderung nach einer "Bedarfsmedikation" - das haben wir abgelehnt und sahen auch keine Veranlassung, denn daheim "war es nicht so schlimm" und haben einfach mal die Kurzzeiteinrichtung gewechselt.

Seit gut 2 Jahren wurde es dann auch zu Hause schlimmer. Speziell am Abend, trotz Müdigkeit erst mal 2 Stunden anhaltendes Brüllen, schlechtes Schlafen und tagsüber - na, ja - bei Schlafdefizit ist niemand gut drauf. Schreiphasen aus dem Nichts heraus.
Eine Medikation haben wir zuerst abgelehnt und es dann auf Anraten von Herrn Wilken mit "harmlosen" Mitteln wie Melatonin - normal ebenso wie retardiert - und einem ganz sachten Blutdrucksenker versucht - Keine Besserung

Inzwischen hat die 2. Kurzzeitpflegeeinrichtung auf Aufnahme von Jenni verweigert; sie würde mit ihren Schlafstörungen und den Verhaltensauffälligkeiten den Ablauf zu sehr stören.

Auch an diesem Punkt wollten wir noch nicht zu härten Mitteln greifen.
Es musste wohl noch schlimmer kommen, obwohl wir inzwischen selbst mit den Nerven am Ende waren.
Aber erst letzten Herbst, als auch die 3. Kurzzeitpflegeeinrichtung die Aufnahme verweigerte, immer mehr Beschwerden seitens der Tagesförderstätte, dem Buspersonal und anderer Eltern kamen, sahen wir ein: jetzt muss eine Medikation her

Der 1. Mittel war Tavor. Das hat bei Jenni jedoch eine Paradox-Reaktion ausgelöst, heißt, es wurde immer schlimmer, wir waren fix und fertig. Abends statt 2 Stunden Brüllen nun 4 Stunden, die Austicker am Tag waren unbeschreiblich. Nach zwei Wochen waren die Nerven so blank, dass ein umgefallener Trinkbecher mir die Tränen in die Augen trieb. - inzwischen habe ich schon mehrfach gehört, dass Tavor Paradox-Reaktionen auslöst und Prof. Wilken rät auch u.a. wegen des hohen Suchtpotentials davon ab

Nächster Versuch: Risperidon: ebenfalls einfach nur schrecklich - die Maus war total abgeschossen (bei geringster Dosierung). Leere Augen, ständig offener Mund, Null Reaktionen, kaum Muskeltonus - unser Wohnzimmerschrank hatte mehr Leben, als sie, also auch keine Lösung

Dann Umstellung auf eine Kombi von Anti-Depressiva am Morgen und einem Neuroleptikum am Abend brachte langsame Besserung. Gerade das Anti-Depressiva braucht eine Weile, bis es wirkt. Dann kam auch noch eine Grippe (abgeschwächt, weil geimpft, aber in diesem Jahr war der Wirkstoff ja nicht so ganz passend) dazwischen. Aber inzwischen ist auch das überstanden und ich habe endlich mein Kind wieder, das lacht, die Augen strahlen, sie hat wieder Spaß am Leben.

Rückblickend würde ich mit einer Medikation nicht mehr so lange warten. Aber man denkt ja einfach immer: ja, das ist Rett, das ist eine Phase, die wird wieder vorbei gehen. Es hat uns viele Nerven gekostet und auch Lebensqualität. Aber auch unserer Süßen. Denn sie wird sich ja ebenfalls nicht wohl fühlen, mit diesen elend langen Schreiphasen bis zum Einschlagen und den "Austickern" am Tag.
Was schlussendlich hilft, ist sicherlich ganz individuell unterschiedlich und ich möchte auch keine Empfehlungen ausgeben. Nur die eine, aus eigener, leidvoller Erfahrung:
auch wenn wir es alle gut meinen mit unseren Kindern und keine Chemie "reinkippen" wollen - wartet nicht so lange, bis der Druck zu hoch ist
 
Liebe Gabi,
danke für deinen ausführlichen Bericht. Bei uns ist es seit über 4 Jahren ein Problem mit der Schreierei. Risperidon hilft in geringer Dosis ganz gut, aber ganz weg ist es damit nicht. Allerdings spielt bei Marie ganz oft der Bauch eine entscheidende Rolle. Sie schluckt so viel Luft, hat Blähungen und Probleme, den Stuhlgang loszuwerden. Aber sie möchte auch sehr massiv ihren Willen durchsetzen, wenn ihr etwas nicht passt.

Mich würde sehr interessieren, mit welchen Medikamenten ihr eure "alte" Jenni zurückbekommen habt. Magst du mir die Namen schreiben?
Viele liebe Grüße
Isolde
 
liebe Gabi, liebe Isolde,

da finde ich viele Ähnlichkeiten, auch bei Sofia ist das Schreien ein Problem seit vielen Jahren. Phasenweise Besserung, Tagesverfassung.... im Grunde ist es immer noch da, Und die Austicker sind extrem.

Beispiel dieses Wochenende - 2 Tage durchgetobt, Lippe aufgebissen mit sehr viel Blut, mein Unterarm aufgerissen durch Einkrallen.
Anscheinend hatte es auch wieder mit Bauchschmerzen und Stuhlgang zu tun. Wobei ich auch nur mutmaßen kann.

Nur ist eine Medikation mit Neuroleptika definitiv ausgeschlossen wegen der QT-Verlängerung im EKG. Habt ihr dieses Phänomen nicht?

Das Antidepressivum würde mich auch interessieren, nur zur Info.

Danke und liebe Grüße Herta
 
Nur ist eine Medikation mit Neuroleptika definitiv ausgeschlossen wegen der QT-Verlängerung im EKG. Habt ihr dieses Phänomen nicht?

Liebe Herta, nein das Problem haben wir nicht. EEG ist in Ordnung - oder zumindest soweit man dies bei einer Erkrankung wie Rett als normal sehen kann
 
Liebe Herta, liebe Isolde,
Jenni bekommt Citalopram 10 mg (Antidepressivum) und Pipamperon als Saft 5ml.
Aber sicherlich sind manche Wirkstoffe für die eine Maus gut und die andere verträgt sie nun überhaupt nicht. Daher muss man sicherlich experimentieren.
Ich hatte Rücksprache mit Herrn Wilken genommen und seine Einschätzung mit der behandelnden Neurologin besprochen.

Manchmal, aber wirklich nur noch ganz, ganz selten hat Jenni dennoch mal "ihr 5-Minuten" aus dem Nichts. Wieso, weshalb - weiß ich nicht. Auslöser ist häufig, dass sie Harndrang hat, aber sie gerade zu dem Zeitpunkt nicht zur Toilette kann (oder wir überblicken es nicht, weil sie gerade vor 10 Minuten erfolglos auf der Toi. war). Die Neurologin meint auch, dass das wohl nie zu 100% weg zu bekommen ist - aber so, wie es jetzt ist, ist es gut und wir sind alle zufrieden.
 
Berichtigung:
ich habe gerade gesehen, dass ich gestern Abend im letzten Absatz: "Schreiphasen bis zum Einschlagen" geschrieben habe - auch ganz witzig, muss aber dennoch "einschlafen" heißen:rolleye12:
 
Liebe Herta, nein das Problem haben wir nicht. EEG ist in Ordnung - oder zumindest soweit man dies bei einer Erkrankung wie Rett als normal sehen kann
Sorry, wieder gelesen und doch nicht gelesen - :Rotwerd: - oder nur halb. Nein im EKG sind auch keine Auffälligkeiten
 
:) einschlagen klingt echt auch lustig.

Danke Gabi für die Info zu den Medikamenten. Ich freu mich für euch dass diese Kombination bei Jenni so gut hilft und sie auch ein normales EKG hat.

Nur leider wären diese beiden Stoffe mal wieder nichts für Sofia wegen dieser verlängerten QT-Zeit.

lg Herta
 
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