Judith
Erfahrener Benutzer
Unsere Erfahrungen mit PEG / Button:
Als meine Tochter etwas mehr als 9 Jahre alt war, entschlossen wir uns, ihr eine PEG-Sonde legen zu lassen, nachdem ich bei der Jahresversammlung der Rett-Elternhilfe den entscheidenden Hinweis bekam. Sie war zuvor schon einmal stationär im Krankenhaus, weil sie ausgetrocknet gewesen war, sie erbrach und hatte Durchfälle. Ein anderes Mal wurde ihr zuhause aus dem selben Grund ein Tropf gelegt. Der damalige Kinderarzt sah keinen weiteren Handlungsbedarf, ausser dass er mich ermahnte, ihr 1 Liter Flüssigkeit pro Tag zu löffeln – egal wie. Zu der Zeit waren 200 ml Trinkmenge eine Tagesbeschäftigung, das Trinken war sehr mühsam für sie, ihr Essverhalten stark schwankend. Ihr Gewicht betrug damals knapp 12 Kilo, sie hatte einen Trommelbauch und eiskalte blaue Füße, war unruhig und gestresst.
Der Eingriff selbst war nicht dramatisch und dauerte, wenn ich mich recht entsinne, maximal eine halbe Stunde. Ihr Trommelbauch war sofort verschwunden, die Blähungen, die sie danach noch hatte, bewegten sich im ganz normalen Rahmen. Ihre Füße waren nicht mehr blau, wesentlich wärmer, sie war ausgeglichener und deutlich zufriedener. Am nächsten Tag durfte sie nach meiner Einweisung bzgl. Wundversorgung und Sondieren wieder nach Hause. Seitens des Krankenhauses wurde ein Pflegedienst organisiert, der sich zunächst um die Wundversorgung kümmerte und mich so lange unterstützte, bis ich sicher im Umgang mit der Sonde war. Im Laufe der Zeit bildete sich etwas wildes Fleisch um die Eintrittsstelle, das zwar nicht besonders schön anzuschauen war, für meine Tochter aber keine Beeinträchtigung darstellte. Die PEG hielt etwa 1,5 Jahre, danach musste sie erneuert werden, weil der Schlauch porös wurde. Wir entschlossen uns, die PEG durch einen Button ersetzen zu lassen. Das war noch einmal ein kleiner operativer Eingriff. Wir haben sowohl mit der PEG als auch mit dem Button nur gute Erfahrungen gemacht
Schade ist rückblickend, dass wir so spät davon erfahren hatten. Meine Tochter hätte wesentlich bessere körperliche Entwicklungsmöglichkeiten gehabt, wenn sie die Sonde früher gelegt bekommen hätte. In sehr wesentlichen Wachstumsphasen war sie ständig unterversorgt.
Meine eigene Wahrnehmung war damals eine zugegebenermaßen verschobene. Ich war stundenlang mit dem Anbieten von Essen und Trinken beschäftigt, dass ich das Gefühl hatte, es müsse reichen. Wieviel der Flüssigkeit allerdings jedes Mal daneben ging, sah ich zwar an ihren nassen Oberteilen, einschätzen konnte ich es nicht wirklich objektiv. Eine Ernährungsberaterin empfahl mir, über einen Zeitraum von mehreren Tagen jede Kalorie zu zählen, die sie zu sich nahm. Und das war sehr beeindruckend – im negativen Sinn und das überzeugende Argument für die Sonde.
In der Folgezeit hatte ich einige Gespräche mit Eltern, die sich vor diesem Schritt scheuen. Es gab sehr unterschiedliche Gründe hierfür:
- Die Angst vor einem operativen Eingriff. Die ist immer legitim.
- Die Angst davor, dass dieser Schritt noch ein weiterer in Richtung „Behinderung“ sein würde. Das Gegenteil ist meiner Meinung nach der Fall. Wir waren sehr eingeschränkt in unseren Freizeitaktivitäten, weil Trinken und Essen unglaublich viel Zeit in Anspruch nahmen. Sowohl meine Tochter, als auch ich waren genervt, weil dies zu einem zentralen Thema wurde und wir viel lieber unsere Zeit mit etwas anderem verbracht hätten. Zudem hat sie zwei jüngere Brüder, die deshalb ständig zurückstecken mussten.
- Die Angst davor, dass sich durch die Sonde das Ess- und Trinkverhalten negativ verändern würde. Ich kann das nicht bestätigen, meine Tochter isst und trinkt so gut oder schlecht wie zuvor. Was noch hinzukommt: Ein Mensch isst und trinkt, wenn er Hunger oder Durst hat. Damit das auch zu einem befriedigendes Gefühl werden kann, muss innerhalb einer gewissen Zeit der Hunger oder Durst gestillt werden. Das ist bei Spazenportionen nicht möglich.
- Der Schlauch im Bauch wird als weiteres Stigma gesehen.
- Das Kind wird schwerer und irgendwann möglicherweise „untragbar“.
- Dem Kind essen zu geben, wird als Zeichen der Zuwendung und als Aufgabe gesehen. „Wenn ich meinem Kind nicht einmal genug zu essen geben kann, fühle ich mich als Versager.“ Man bedenke: Normalerweise fängt jedes Kind im ersten Lebensjahr selbst an zu essen und übernimmt das im Laufe der nächsten zwei Jahre völlig. Dann ist es für jede Mutter und jeden Vater eine Selbstverständlichkeit, mit dem Füttern aufzuhören und sich stattdessen auf andere Weise mit dem Kind zu beschäftigen. Bei unseren Mädchen kommt noch hinzu, dass sie durch die Pflege, Versorgung und Förderung ein Vielfaches an Zuwendung erleben.
- Greife ich dadurch nicht zu sehr in den individutellen Weg meines Kindes ein? Hunger und Durst sind bei keinem Menschen ein Ausdruck eines individuellen Weges. Wenn ein Mensch nicht laufen kann, ist es auch eine Selbstverständlichkeit, ihm einen Rollstuhl zur Verfügung zu stellen ...
- Werden die BetreuerInnen in Einrichtungen dann nicht zu bequem, dem Kind Essen und Trinken zu geben? Das kann ich gar nicht bestätigen, eher im Gegenteil. Das Verhältnis ist wesentlich entspannter, die Mahlzeiten arten nicht in Stress aus und laufen spielerischer ab – und sie bewegen sich in einem vernünftigen zeitlichen Rahmen.
Die Lebensqualität meiner Tochter und auch die unserer ganzen Familie, hat durch die Sonde sehr gewonnen. Zeiten von Krankheiten, insbesondere mit Fieber, können wir relativ gelassen entgegensehen.
Grüßzli Judith
Als meine Tochter etwas mehr als 9 Jahre alt war, entschlossen wir uns, ihr eine PEG-Sonde legen zu lassen, nachdem ich bei der Jahresversammlung der Rett-Elternhilfe den entscheidenden Hinweis bekam. Sie war zuvor schon einmal stationär im Krankenhaus, weil sie ausgetrocknet gewesen war, sie erbrach und hatte Durchfälle. Ein anderes Mal wurde ihr zuhause aus dem selben Grund ein Tropf gelegt. Der damalige Kinderarzt sah keinen weiteren Handlungsbedarf, ausser dass er mich ermahnte, ihr 1 Liter Flüssigkeit pro Tag zu löffeln – egal wie. Zu der Zeit waren 200 ml Trinkmenge eine Tagesbeschäftigung, das Trinken war sehr mühsam für sie, ihr Essverhalten stark schwankend. Ihr Gewicht betrug damals knapp 12 Kilo, sie hatte einen Trommelbauch und eiskalte blaue Füße, war unruhig und gestresst.
Der Eingriff selbst war nicht dramatisch und dauerte, wenn ich mich recht entsinne, maximal eine halbe Stunde. Ihr Trommelbauch war sofort verschwunden, die Blähungen, die sie danach noch hatte, bewegten sich im ganz normalen Rahmen. Ihre Füße waren nicht mehr blau, wesentlich wärmer, sie war ausgeglichener und deutlich zufriedener. Am nächsten Tag durfte sie nach meiner Einweisung bzgl. Wundversorgung und Sondieren wieder nach Hause. Seitens des Krankenhauses wurde ein Pflegedienst organisiert, der sich zunächst um die Wundversorgung kümmerte und mich so lange unterstützte, bis ich sicher im Umgang mit der Sonde war. Im Laufe der Zeit bildete sich etwas wildes Fleisch um die Eintrittsstelle, das zwar nicht besonders schön anzuschauen war, für meine Tochter aber keine Beeinträchtigung darstellte. Die PEG hielt etwa 1,5 Jahre, danach musste sie erneuert werden, weil der Schlauch porös wurde. Wir entschlossen uns, die PEG durch einen Button ersetzen zu lassen. Das war noch einmal ein kleiner operativer Eingriff. Wir haben sowohl mit der PEG als auch mit dem Button nur gute Erfahrungen gemacht
Schade ist rückblickend, dass wir so spät davon erfahren hatten. Meine Tochter hätte wesentlich bessere körperliche Entwicklungsmöglichkeiten gehabt, wenn sie die Sonde früher gelegt bekommen hätte. In sehr wesentlichen Wachstumsphasen war sie ständig unterversorgt.
Meine eigene Wahrnehmung war damals eine zugegebenermaßen verschobene. Ich war stundenlang mit dem Anbieten von Essen und Trinken beschäftigt, dass ich das Gefühl hatte, es müsse reichen. Wieviel der Flüssigkeit allerdings jedes Mal daneben ging, sah ich zwar an ihren nassen Oberteilen, einschätzen konnte ich es nicht wirklich objektiv. Eine Ernährungsberaterin empfahl mir, über einen Zeitraum von mehreren Tagen jede Kalorie zu zählen, die sie zu sich nahm. Und das war sehr beeindruckend – im negativen Sinn und das überzeugende Argument für die Sonde.
In der Folgezeit hatte ich einige Gespräche mit Eltern, die sich vor diesem Schritt scheuen. Es gab sehr unterschiedliche Gründe hierfür:
- Die Angst vor einem operativen Eingriff. Die ist immer legitim.
- Die Angst davor, dass dieser Schritt noch ein weiterer in Richtung „Behinderung“ sein würde. Das Gegenteil ist meiner Meinung nach der Fall. Wir waren sehr eingeschränkt in unseren Freizeitaktivitäten, weil Trinken und Essen unglaublich viel Zeit in Anspruch nahmen. Sowohl meine Tochter, als auch ich waren genervt, weil dies zu einem zentralen Thema wurde und wir viel lieber unsere Zeit mit etwas anderem verbracht hätten. Zudem hat sie zwei jüngere Brüder, die deshalb ständig zurückstecken mussten.
- Die Angst davor, dass sich durch die Sonde das Ess- und Trinkverhalten negativ verändern würde. Ich kann das nicht bestätigen, meine Tochter isst und trinkt so gut oder schlecht wie zuvor. Was noch hinzukommt: Ein Mensch isst und trinkt, wenn er Hunger oder Durst hat. Damit das auch zu einem befriedigendes Gefühl werden kann, muss innerhalb einer gewissen Zeit der Hunger oder Durst gestillt werden. Das ist bei Spazenportionen nicht möglich.
- Der Schlauch im Bauch wird als weiteres Stigma gesehen.
- Das Kind wird schwerer und irgendwann möglicherweise „untragbar“.
- Dem Kind essen zu geben, wird als Zeichen der Zuwendung und als Aufgabe gesehen. „Wenn ich meinem Kind nicht einmal genug zu essen geben kann, fühle ich mich als Versager.“ Man bedenke: Normalerweise fängt jedes Kind im ersten Lebensjahr selbst an zu essen und übernimmt das im Laufe der nächsten zwei Jahre völlig. Dann ist es für jede Mutter und jeden Vater eine Selbstverständlichkeit, mit dem Füttern aufzuhören und sich stattdessen auf andere Weise mit dem Kind zu beschäftigen. Bei unseren Mädchen kommt noch hinzu, dass sie durch die Pflege, Versorgung und Förderung ein Vielfaches an Zuwendung erleben.
- Greife ich dadurch nicht zu sehr in den individutellen Weg meines Kindes ein? Hunger und Durst sind bei keinem Menschen ein Ausdruck eines individuellen Weges. Wenn ein Mensch nicht laufen kann, ist es auch eine Selbstverständlichkeit, ihm einen Rollstuhl zur Verfügung zu stellen ...
- Werden die BetreuerInnen in Einrichtungen dann nicht zu bequem, dem Kind Essen und Trinken zu geben? Das kann ich gar nicht bestätigen, eher im Gegenteil. Das Verhältnis ist wesentlich entspannter, die Mahlzeiten arten nicht in Stress aus und laufen spielerischer ab – und sie bewegen sich in einem vernünftigen zeitlichen Rahmen.
Die Lebensqualität meiner Tochter und auch die unserer ganzen Familie, hat durch die Sonde sehr gewonnen. Zeiten von Krankheiten, insbesondere mit Fieber, können wir relativ gelassen entgegensehen.
Grüßzli Judith