Schulbegleitung - Hier: Fragen zur Antragstellung

Edgar

New Member
Hallo zusammen,

meine Tochter Miriam wurde in diesem Sommer in einer Förderschule mit Schwerpunkt geistige und körperliche Entwicklung eingeschult.

Wir überlegen nun eine Integrationshelferin zu engagieren.

Hintergrund:

Die Schule berichtet über das Mitteilungsbuch (Miriam kann sich nicht äußern), regelmäßig über eine ausreichene Versorgung und gute Verdauung.

Wir beobachten aber Verdauungsprobleme (die es im Kindergarten nicht gab) und den Rücklauf von gut gefüllten Trinkflaschen.

Die Integrationhelferin - wir haben eine Krankenschwester gefunden, die bereit wäre, Miriam ca. 4 Stunden am Tag in der Schule zu unterstützen - soll insbesondere die ausreichende Versorgung mit Flüssigkeit und die Bewegung untertützen. Wir erwarten dann eine Verbesserung der Verdauungsprobleme.

Wir möchten nun vermeiden, dass wir durch unglückliche Formulierungen / Begründungen das Antragsverfahren verkomplizieren.
Deshalb sind wir an Hinweisen zum Vorgehen, was wir zu beachten haben, was wir nicht schreiben sollten, wie wir es nicht formulieren sollten usw. interesssiert.

Dabei beschäftigen uns zu Beispiel folgende Fragen:

1. Es geht um einen Integrationshelfer für ein Mädchen, welches bereits eine Förderschule - Schwerpunkt geistige und körpfliche Entwicklung - besucht. Es geht also nicht um einen Integrationshelfer für eine "normale" Schule. Kann hier nicht argumentiert werden, dass die Schüler-/Lehrerrelation an einer solchen Schule so ausreichend bemessen ist, so dass für einen Integrationshelfer an einer solcher Schule keine Notwendigkeit besteht?

2. Die Ursache- / Wirkungskette ist m. E. angreifbar, da wir eine lückenlose Beweiskette: keine ausreichende Zufuhr von Flüssigkeit / keine ausreichende Bewegung in der Schule -> Verdauungsprobleme nicht nachweisen können.

Wir beobachten "nur", dass es diese Problem im Kindergarten nicht gab. Könnte hier nicht argumentiert werden, dass wir erst alle chemischen usw. Mittel ausprobieren müssen bevor so ein Antrag "Entscheidungsreife" erlangt?

3. In § 54 SGB wird darauf hingewiesen, dass diese Leistungen als Hilfen für eine angemessen Schulbildung gewährt werden. Irgendwo las ich in diesem Zusammenhang auch etwas von einem individuellen Förderplan. Die Wahrnehmung von Miriam ist stark eingeschränt und eine Kommunikaitonsfähigkeit reduziert sich auf die Äußerungen von Freude / Frust / Schmerzen. Einen individuellen Förderplan keinen wir nicht. Mir fehlt auch die Vorstellung, welche messbaren Ziele, dieser Plan ausweisen sollte.

Die Schule ist deshalb nur ein Verwahrort. Könnte hier (bei unglücklicher Begründung des Antrages unsererseits) eine Ablehnung erfolgen, weil das Ziel der angemessenen Schulbildung eh nicht erreicht weden kann?

4. Die beiden Klassenlehrerinnen haben auf dem ersten Elternabend sich gegen Integrationshelfer ausgesprochen. Sie sehen dazu keine Notwendigkeit. Unausgesprochen im Raum stand auch, dass sie keine weiteren Erwachsenen im Unterricht wünschen.

Da dem Antrag auch das Votum der Schule beigefügt werden muss die Frage:Wie wichtig ist das Votum der Schule? Was kann man tun, wenn hier unterschiedliche Standpunkte vertreten werden und die Schule entweder die Notwendigkeit bestreitet oder die gewünschte Stellungnahme nicht abgibt?

Vorab schon mal herzlichen Dank für alle Hinweise.
edgar
 
Hallo!

Für den Antrag einer Schulbegleitung oder ggf. einer medizinischen Pflegekraft ist ein ärztliches Attest immer sehr von Vorteil. Die Schule sollte attestieren, dass sie die Leistungen (in diesem Fall sind es ja zusätrzliche Pflegeleistungen) nicht erbringen kann.

Für die Schulbegleitung ist es aber auch wichtig, dass das Kind Lernfortschritte machen kann. Und das kann jedes Rett-Mädchen, da bin ich mir sehr sicher! Deshalb kann und darf die Schule auf keinen Fall nur ein Verwahrort sein!! Sie müssen auf jeden auch noch kleinen Lernfortschritt hinweisen! Wenn die Lehrerinnen Ihnen unausgesprochen mitgeteilt haben, dass sie keine weiteren Erwachsenen im Unterricht wünschen, dann sollten Sie meines Erachtens nach in Erwägung ziehen, die Schule zu wechseln. Denn offensichtlich orientieren sich die Lehrerinnen nicht an den Bedürfnissen des Kindes, sondern eher an ihren eigenen. Ein Schulbegleiter kann Ihrer Tochter auch die Möglichkeit bieten, durch Unterstützte Kommunikation amUnterricht und dem Klassenleben teilzuhaben. Dies wäre auch ein ganz wichtiger Aspekt für den Antrag!! Ich würde an Ihrer Stelle dies mit den Lehrerinnen besprechen und wenn es herausstellt oder Sie das Gefühl nicht loswerden, dass die Lehrerinnen keine weiteren Erwachsenen im Untericht wollen, ernsthaft über einen Schulwechsel nachzudenken.

Meine Tochter ist in einer Klasse mit 6 Kindern und 1 Lehrerin, 1 Pflegekraft ud 2 Schulbegleitern. Das klappt prima!

Viele Grüße
Ulli
:wink:
 
Hallo Edgar,

da ich ja ein bißchen vertraut mit Eurer Situation bin, schicke ich dir mal unseren Antrag auf eine Individualkraft (per Mail) zu. Ich denke, du wirst dort bestimmt ein paar Ansatzpunkte für Euch finden.

Mir war es sehr wichtig die Aufgaben der Individualkraft genau zu beschreiben, da ich auch die Aufgaben der Lehrkräfte einfordere. D. h. die Vermittlung von pädagogischen Lehrinhalten obliegen den Lehrkräften, die Individualkraft soll in unserem Fall dafür Sorge tragen, dass Patricia in die Lage versetzt wird, am Unterricht teilzunehmen.

In meinem Antrag gab es:
- eine ausführliche Beschreibung der (Rett-)Probleme, die unseren Alltag bestimmen
- den Hinweis auf eine notwendige langfristige individuelle Betreuung, auf Grund der immer wieder neuen Einweisung der Individualkraft in die jeweilige Situation, die durch die Regression der (meistens motorischen und gesundheitlichen) Entwicklung entsteht
- gleichzeitig aber auch die Forderung nach Förderung von vorhandenen (geistigen und körperlichen) Fähigkeiten durch das Lehrpersonal und den Therapeuten
- Problembeschreibung in der Schule
- Verneinung von für mich nicht akzeptablen Lösungen z. B. Einsatz von Praktikanten oder Zivis
- Beschreibung von Problemlösungen durch die Individualkraft
- Anlagen von Arztberichten
- den Hinweis, dass wir die Individualkraft selbst aussuchen
- einen Hinweis auf unsere eigenen Fähigkeiten, die wir uns durch langjährige Zusammenarbeit mit den verschiedenen Ärzten, Therapeuten, orthopädische Fachleute, Pädagogen und in Fortbildungsseminaren erworben haben, um die Situation angemessen beurteilen zu können.

und einen "netten" Abschluss:

"Wir mussten uns als Eltern mit der Schwere der Behinderung unserer Tochter auseinandersetzen und diese akzeptieren und damit umzugehen lernen. Nicht immer ein leichter Weg. Uns ist sehr bewusst, welche Erwartungen wir für die Zukunft haben dürfen.

Wir stellen diesen Antrag nicht nur für das Schuljahr 2010/2011, sondern auch für die kommenden Jahre, da wir wissen, dass sich der Zustand unserer Tochter niemals so weit verbessert, dass sie ohne diese Hilfe zurechtkommen wird. Der rezidive Verlauf der
Krankheit/Behinderung gibt das so vor. Für uns wäre es eine psychische Erleichterung, wenn wir uns nicht immer wieder durch neue Antragstellungen dieses schmerzhaft bewusst machen müssen. Außerdem wäre eine kontinuierliche und verbindliche Zusammenarbeit mit Patricia, der Integrationskraft, der Schule und uns Eltern so gezielt möglich. "



Ein Schulwechsel ist leider nicht immer möglich. Manchmal reicht auch ein Lehrerwechsel. In unserem Fall gab es auch mit einigen Lehrkräften "Unstimmigkeiten". So lange unsere Probleme noch nicht so ausgeprägt waren, und alle Kinder im erstem Schuljahr sich noch in der Eingangsklasse befanden, in der es erst noch um das Kennenlernen von Schulsituationen bzw. um die Beurteilung ihrer Fähigkeiten ging, gab es auch weniger Schwierigkeiten, denn die Lehrer hatten auch ein anderes Zeitpensum. Aber je größer der Unterschied zwischen den Schülern wird, und je schwieriger die Rett-Probleme auftauchen, um so problematischer wird der gemeinsame Unterricht ohne Individualkraft.

Für alle Rett-Mädchen, die eine schöne Schulzeit hatten und haben, freue ich mich sehr. Und allen anderen wünsche ich sie von Herzen.

Birgit
 
das Thema ist immer wieder neu - es kann nie genug Infos geben

Hallo,

ich denke ich habe für alle die sich mit diesem Problem beschäftigen, einen ganz interessanten Link gefunden. Es ist zwar hier das Beispiel von Autisten aufgeführt, aber wir können vieles für unsere Rettmädchen verwenden.

http://www.akademie-sozialmedizin.de/downloads/sophia08.vortrag.priess.pdf


Außerdem findet Ihr unten die Beschreibung des ICD-Code. Das ist die Zahl, die der Arzt immer auf jedem Rezept schreiben soll/muss. Er beschreibt die Art der Behinderung. Der ICD-Code ist eine wichtige Grundlage für die Bewilligung von Hilfsmittel, Therapien usw.
Ich kann nur empfehlen, sich damit mal zu beschäftigen. Es kann einem helfen, manchmal die richtigen Worte für einen Antrag zu finden.

F84.- Tief greifende Entwicklungsstörungen
Info.: Diese Gruppe von Störungen ist gekennzeichnet durch qualitative
Abweichungen in den wechselseitigen sozialen Interaktionen und
Kommunikationsmustern und durch ein eingeschränktes, stereotypes,
sich wiederholendes Repertoire von Interessen und Aktivitäten.
Diese qualitativen Auffälligkeiten sind in allen Situationen ein
grundlegendes Funktionsmerkmal des betroffenen Kindes.
Sollen alle begleitenden somatischen Zustandsbilder und eine
Intelligenzminderung angegeben werden, sind zusätzliche
Schlüsselnummern zu benutzen.

F84.2 Rett-Syndrom
Info.: Dieses Zustandsbild wurde bisher nur bei Mädchen beschrieben; nach
einer scheinbar normalen frühen Entwicklung erfolgt ein teilweiser
oder vollständiger Verlust der Sprache, der lokomotorischen
Fähigkeiten und der Gebrauchsfähigkeiten der Hände gemeinsam mit
einer Verlangsamung des Kopfwachstums. Der Beginn dieser Störung
liegt zwischen dem 7. und 24. Lebensmonat. Der Verlust
zielgerichteter Handbewegungen, Stereotypien in Form von
Drehbewegungen der Hände und Hyperventilation sind
charakteristisch. Sozial- und Spielentwicklung sind gehemmt, das
soziale Interesse bleibt jedoch erhalten. Im 4. Lebensjahr beginnt
sich eine Rumpfataxie und Apraxie zu entwickeln, choreo-athetoide
Bewegungen folgen häufig. Es resultiert fast immer eine schwere
Intelligenzminderung.


Wir werden wahrscheinlich noch viele Tassen :kaffeetri müssen, bis wir mal alles richtig verstehen. Aber haben wir mal etwas gewonnen, gibt es auch eine kleines Gläschen :glas 08:

Lieben Gruß
Birgit
 
Zuletzt bearbeitet:
Unsere Lösung ...

Hallo zusammen,

wir steckten fest: Das Sozialamt wollte eine positive Stellungnahme der Schule. Die Schule wollte diese nicht geben, weil sie einen I-Helfer nicht für notwendig erachtete. (" wir wollen keinen Erwachsenen im Unterricht ")
Auf der anderen Seite sah sich die Schule wegen personeller Engpässe nicht in der Lage z. B. die Flüssigkeitszufuhr in der notwendigen Menge sicherzustellen. Als wir dies anmerkten bekamen wir die Flasche immer "ausgespült" zurück ... Wir haben uns dann an die "Inititiative Teilhabe", Frau Erdmann (=Sozialkoordinator der Elternhilfe Rett) gewandt.
Dieser gelang es das Sozialamt davon zu überzeugen, dass eine Stellungnahme der Schule für eine Bewilligung nicht benötigt wird.
Das Sozialamt bewilligt daraufhin eine I-Kraft bis zum Ende des Schuljahres.
Gleichzeitig führte sie Gespräche mit der Schule und konnte dort die Vorbehalte abbauen.
Seit letzter Woche hat Miriam nun eine I-helferin ....!
Aufgrund der zuvor mit der Schule geführten Gespräche war der Start der I-helferin in der Schule zwar holperig - aber bislang doch noch irgendwie erträglich.

edgar
 
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