UTE und DIETER mit MALENA
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Es wird Zeit!
Hier im Forum stelle ich heute mal für alle, die nicht die "Rettland 17" erhalten haben, unseren Malena vor.
(Ihre Geschichte dort geht über drei Seiten. Ich habe lange gezögert, sie hier zu schreiben, weil ich so viel kürzen muss, und das fällt mir schwer.)
Malena kam am 27. 01.1989 in Passau zur Welt. Als Baby war sie recht unruhig und schrie viel. Uns fiel ihre sehr schlaffe Körperspannung auf, und sie mochte es nicht, wenn wir sie über unseren Kopf hoben. Der Kinderarzt fand bis zur U6 keine Auffälligkeiten. Ihre Entwicklung war völlig altersgerecht: Das erste Lächeln, Krabbeln, Sitzen. Ihre ersten Schritte machte sie sich zum Geburtstagsgeschenk. Dann bekam sie einen sehr hartnäckigen Durchfall und lief erst wieder mit 15 Monaten. Sie spielte ganz normal, am liebsten mit Papier, das knisterte so herrlich, und sie hängte sich alles Mögliche, was aus Stoff oder Leder war, um den Hals.
Als Malena 20 Monate alt war, zogen wir wieder in unsere eigentliche Heimat nach Niedersachsen. Ich konnte aus beruflichen Gründen erst drei Wochen später meinem Mann und Malena folgen.
Jetzt fing unsere Odyssee an:
Malena, die schon einige Worte gesprochen hatte, sagte nur noch ein Wort: AUTO. Das passte für alles! Klar, dachten wir: Die Kleine hat entweder die Mami ganz toll vermisst oder den Ortswechsel nicht verkraftet. Nachdem sie stur volle 3 Monate zu allem "Auto" sagte, sprach ich unseren Arzt bei der U7 darauf an. Er kreutze "keine altersgemäße Sprache" an und fand ansonsten nichts an ihr auszusetzen.
Als sie zweieinhalb war, wurde ihr Bruder Thomas geboren. Malena fing, o Wunder, gaaanz langsam an, die Sprache wiederzuentdecken. Ich war trotzdem ungeduldig und rief bei der Lebenshilfe an. Malena bekam Frühförderung. Während dieser Zeit kamen immer mehr Merkwüdigkeiten zu Tage: Malena zeigte kaum Schmerzempfinden, mochte keine Rutschen, verzog bei verschiedenen Lebensmitteln wie Senf, Marmelade, Meerrettich (alles hintereinander gegeben) keine Miene. Sie interessierte sich nicht mehr für Spielzeug (ist auch heute noch so) und wirkte leicht autistisch.
Sehr belastend waren ihre nächtlichen Schreiattacken. Etwa eine halbe Stunde nach dem Einschlafen ging es los: Sie ließ sich durch nichts beruhigen.
Wir resignierten und fanden heraus, dass sich Malena tatsächlich am schnellsten beruhigte, wenn wir gar nicht erst zu ihr gingen. (Fiel uns wahnsinnig schwer).
Wir stellten unser Mädel im Sozialpädiatrischen Zentrum Hannover vor. Diagnose: Entwicklungsretardierung unklare Genese mit gravierenden Auffälligkeiten im Bereich der Wahrnehmung und Wahrnehmungsverarbeitung, leicht Hypothonie.
Mit drei Jahren kam sie in den Kindergarten, erst bei der Lebenshilfe. Dort waren wir nicht so ganz zufrieden und kümmerten uns um eine Einzelintegration im Regelkindergarten. Zusammen mit ihrem Bruder besuchte sie dort eine Nachmittagsgruppe.
1994 bekam Malena eine Hörtherapie im "Auricula Institut" [http://www.auricula.org]. Mit einem super Erfolg für ihr Gleichgewicht: Sie konnte zu Hause sofort Roller fahren und lief auf dem Spielplatz ohne zu zögern über die Wackelbalken. Nach "Delacto" haben wir sie auch therapiert, mit guten Erfolgen für ihre Wahrnehmung.
Inzwischen hatte sie begonnen, mit den Händen zu kneten. Wir fuhren 1995 erneut ins SPZ. Dort fielen die Waschbewegungen auf. Der Name "Rettsyndrom" fiel. Der Ärztin passte Malena aber nicht so recht ins Bild, weil das Kopfwachstum normal war und sie keine Anfälle hatte. Diagnose: schwerwiegende Entwicklungsretadierung unklarer Genese.
Ist es nun Rett oder nicht?
Zu Hause schaute ich natürlich gleich im Internet nach und fand, es passte doch so einiges. Ich rief bei der Elternhilfe an. Das Gespräch mit Bärbel Ziegeldorf war sehr nett und informativ. Sie lud unsere Familie zur Jahreshauptversammlung nach Göttingen ein. Dort war Malena total fasziniert von den anderen Mädchen, die auch die Hände kneteten. Irritiert war ich aber schon, dass es ihnen nicht so gut ging wie Malena.
In der Rettsprechstunde in Göttingen die Diagnose: Klinisch allenfalls mildes Rett wegen guter Handfunktion und intellektuell für Rett zu gut, daher eher nicht. Der Gentest wurde zweimal durchgeführt. Jeweils negativ.
Seit 2003 wurde eine Skoliose festgestellt, (20 Grad, bis heute)
Vieles passt und doch nicht
Mama hatte inzwischen das Buch von Babro Lindberg gelesen und einiges gefunden, was passt: der Entwicklungsstillstand, das Hände kneten, kein Interesse an Spielzeug, die Schreiattacken, kalte Hände und Füße, großes Interesses an Musik, Video und Fotos. Sie ist empfindlich am Kopf und hat ein erweitertes Blickfeld. Bei manchen Dingen braucht sie eine Ermunterung, damit sie weitermacht, z. B. beim An- und Ausziehen und beim Aussteigen aus dem Auto. Malena läuft, ihr Gang ist etwas breitbeinig.
Aber es gibt auch Grund zum Staunen: Sie hat Rad fahren und schwimmen gelernt, sie kann Salat schneiden, den Tisch decken, alleine essen. Klar, sie braucht bei festerem Essen Hilfe beim Schneiden und wirft auch einiges daneben, aber sie wird satt. Sie spricht, wenn sie sich sicher fühlt, Mehrwortsätze. Etwas undeutlich und verwaschen, aber immerhin!
Sie ist eine ganz liebe, fröhliche -auch recht schadenfreudige-Maus.
Sie hat zwei tolle Brüder, die ihr auch helfen und recht geduldig sind.
Wir sind froh, dass wir Malena und ihre Brüder haben. Durch Malena haben wir gelernt, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Viele Sichtweisen, die wir heute haben, hätten wir sonst bestimmt nicht.
Hier im Forum stelle ich heute mal für alle, die nicht die "Rettland 17" erhalten haben, unseren Malena vor.
(Ihre Geschichte dort geht über drei Seiten. Ich habe lange gezögert, sie hier zu schreiben, weil ich so viel kürzen muss, und das fällt mir schwer.)
Malena kam am 27. 01.1989 in Passau zur Welt. Als Baby war sie recht unruhig und schrie viel. Uns fiel ihre sehr schlaffe Körperspannung auf, und sie mochte es nicht, wenn wir sie über unseren Kopf hoben. Der Kinderarzt fand bis zur U6 keine Auffälligkeiten. Ihre Entwicklung war völlig altersgerecht: Das erste Lächeln, Krabbeln, Sitzen. Ihre ersten Schritte machte sie sich zum Geburtstagsgeschenk. Dann bekam sie einen sehr hartnäckigen Durchfall und lief erst wieder mit 15 Monaten. Sie spielte ganz normal, am liebsten mit Papier, das knisterte so herrlich, und sie hängte sich alles Mögliche, was aus Stoff oder Leder war, um den Hals.
Als Malena 20 Monate alt war, zogen wir wieder in unsere eigentliche Heimat nach Niedersachsen. Ich konnte aus beruflichen Gründen erst drei Wochen später meinem Mann und Malena folgen.
Jetzt fing unsere Odyssee an:
Malena, die schon einige Worte gesprochen hatte, sagte nur noch ein Wort: AUTO. Das passte für alles! Klar, dachten wir: Die Kleine hat entweder die Mami ganz toll vermisst oder den Ortswechsel nicht verkraftet. Nachdem sie stur volle 3 Monate zu allem "Auto" sagte, sprach ich unseren Arzt bei der U7 darauf an. Er kreutze "keine altersgemäße Sprache" an und fand ansonsten nichts an ihr auszusetzen.
Als sie zweieinhalb war, wurde ihr Bruder Thomas geboren. Malena fing, o Wunder, gaaanz langsam an, die Sprache wiederzuentdecken. Ich war trotzdem ungeduldig und rief bei der Lebenshilfe an. Malena bekam Frühförderung. Während dieser Zeit kamen immer mehr Merkwüdigkeiten zu Tage: Malena zeigte kaum Schmerzempfinden, mochte keine Rutschen, verzog bei verschiedenen Lebensmitteln wie Senf, Marmelade, Meerrettich (alles hintereinander gegeben) keine Miene. Sie interessierte sich nicht mehr für Spielzeug (ist auch heute noch so) und wirkte leicht autistisch.
Sehr belastend waren ihre nächtlichen Schreiattacken. Etwa eine halbe Stunde nach dem Einschlafen ging es los: Sie ließ sich durch nichts beruhigen.
Wir resignierten und fanden heraus, dass sich Malena tatsächlich am schnellsten beruhigte, wenn wir gar nicht erst zu ihr gingen. (Fiel uns wahnsinnig schwer).
Wir stellten unser Mädel im Sozialpädiatrischen Zentrum Hannover vor. Diagnose: Entwicklungsretardierung unklare Genese mit gravierenden Auffälligkeiten im Bereich der Wahrnehmung und Wahrnehmungsverarbeitung, leicht Hypothonie.
Mit drei Jahren kam sie in den Kindergarten, erst bei der Lebenshilfe. Dort waren wir nicht so ganz zufrieden und kümmerten uns um eine Einzelintegration im Regelkindergarten. Zusammen mit ihrem Bruder besuchte sie dort eine Nachmittagsgruppe.
1994 bekam Malena eine Hörtherapie im "Auricula Institut" [http://www.auricula.org]. Mit einem super Erfolg für ihr Gleichgewicht: Sie konnte zu Hause sofort Roller fahren und lief auf dem Spielplatz ohne zu zögern über die Wackelbalken. Nach "Delacto" haben wir sie auch therapiert, mit guten Erfolgen für ihre Wahrnehmung.
Inzwischen hatte sie begonnen, mit den Händen zu kneten. Wir fuhren 1995 erneut ins SPZ. Dort fielen die Waschbewegungen auf. Der Name "Rettsyndrom" fiel. Der Ärztin passte Malena aber nicht so recht ins Bild, weil das Kopfwachstum normal war und sie keine Anfälle hatte. Diagnose: schwerwiegende Entwicklungsretadierung unklarer Genese.
Ist es nun Rett oder nicht?
Zu Hause schaute ich natürlich gleich im Internet nach und fand, es passte doch so einiges. Ich rief bei der Elternhilfe an. Das Gespräch mit Bärbel Ziegeldorf war sehr nett und informativ. Sie lud unsere Familie zur Jahreshauptversammlung nach Göttingen ein. Dort war Malena total fasziniert von den anderen Mädchen, die auch die Hände kneteten. Irritiert war ich aber schon, dass es ihnen nicht so gut ging wie Malena.
In der Rettsprechstunde in Göttingen die Diagnose: Klinisch allenfalls mildes Rett wegen guter Handfunktion und intellektuell für Rett zu gut, daher eher nicht. Der Gentest wurde zweimal durchgeführt. Jeweils negativ.
Seit 2003 wurde eine Skoliose festgestellt, (20 Grad, bis heute)
Vieles passt und doch nicht
Mama hatte inzwischen das Buch von Babro Lindberg gelesen und einiges gefunden, was passt: der Entwicklungsstillstand, das Hände kneten, kein Interesse an Spielzeug, die Schreiattacken, kalte Hände und Füße, großes Interesses an Musik, Video und Fotos. Sie ist empfindlich am Kopf und hat ein erweitertes Blickfeld. Bei manchen Dingen braucht sie eine Ermunterung, damit sie weitermacht, z. B. beim An- und Ausziehen und beim Aussteigen aus dem Auto. Malena läuft, ihr Gang ist etwas breitbeinig.
Aber es gibt auch Grund zum Staunen: Sie hat Rad fahren und schwimmen gelernt, sie kann Salat schneiden, den Tisch decken, alleine essen. Klar, sie braucht bei festerem Essen Hilfe beim Schneiden und wirft auch einiges daneben, aber sie wird satt. Sie spricht, wenn sie sich sicher fühlt, Mehrwortsätze. Etwas undeutlich und verwaschen, aber immerhin!
Sie ist eine ganz liebe, fröhliche -auch recht schadenfreudige-Maus.
Sie hat zwei tolle Brüder, die ihr auch helfen und recht geduldig sind.
Wir sind froh, dass wir Malena und ihre Brüder haben. Durch Malena haben wir gelernt, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Viele Sichtweisen, die wir heute haben, hätten wir sonst bestimmt nicht.