Alternative Wohnformen

G

Gast

Guest
Hallo zusammen,

gestern hat mich - als Folge auf meinen Artikel, den ich für die Zeitschrift des St.-Josefs-Stift geschrieben habe - die Schwester einer ehemaligen Heimbewohnerin angerufen und mir von ambulanten Wohnformen auch für schwerer behinderte Menschen erzählt. Sie hatte auch schon Kontakt mit Prof. Klaus Dörner, der diesbezüglich schon einige Artikel veröffenlicht hat, und alle diese Menschen lehnen die herkömmlichen Heimstrukturen ab. Ebenso auch Heike Knops, die ein Netzwerk aufbauen möchte:
Selbstbestimmte Assistenz für Menschen mit geistiger Behinderung – geht das denn?
Wer ein Kind mit geistiger Behinderung groß gezogen hat, kennt die Antwort.
Natürlich haben auch Menschen mit schweren und schwersten Einschränkungen einen eigenen Willen, eine individuelle Persönlichkeit.
Sicher bedarf es bei der Assistenz für Menschen mit geistiger Behinderung sensibler und gut ausgebildeter Assistenten. Aber hier können die Eltern mit ihren betroffenen erwachsenen Kinder ja selbst die Wahl treffen und selbst einstellen, wen sie für geeignet halten. Und sie können die Situation selbst beobachten, in Kommunikation mit ihrem Kind und dem Assistenten bleiben. Sie haben die Möglichkeit, einzugreifen, wenn etwas schief läuft und notfalls den Assistenten auch wieder zu entlassen. Sie sind nicht mehr angewiesen auf die Einsicht der Heimleiter oder der Heimaufsicht.
Ein gutes Gefühl für Eltern – ein gutes Leben für Erwachsene mit geistiger Behinderung.
Selbstbestimmte Assistenz ist für jeden Erwachsenen mit Behinderung – auch mit geistiger – eine gesetzlich geregelte Alternative zur Heimunterbringung. Die kommunalen Sozialämter sind in diesem Fall die Kostenträger.
Um die besondere Situation der selbstbestimmten Assistenz im Kontext von Menschen mit geistiger Behinderung zu managen, würde ich gern ein Netzwerk aufbauen. Über das Interesse engagierter Eltern würde ich mich sehr freuen. (knops@uni-wuppertal.de)
Wer von Euch hat sich schon mal mit alternativen Wohnformen befasst? Gibt es diese in Eurer Umgebung?
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Daheim statt Heim

Vorwort
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat im Jahr 2005 die Situation behinderter Menschen in einem Aktionsplan aufgenommen. Die Möglichkeit für behinderte Menschen statt in einem Heim im Gemeinwesen oder der Familie zu leben sowie die Selbstbestimmung und Eigenständigkeit, wurden zum Ziel erklärt. Auch verknüpft die Kommission die De-Institutionalisierung mit dem Aufbau einer gemeindenahen Gesundheitsversorgung und von entsprechenden Assistenz- und Unterstützungsleistungen. Der Disability-Action-Plan (DAP) der Kommission sieht die konsequente Beachtung und Anwendung der Thesen und Maßnahmen vor, die auch in dieser Erklärung der Bundesinitiative „Daheim statt Heim" besprochen werden.

Ebenso hat die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen alle Vertragsstaaten darauf verpflichtet sich der Selbstbestimmung, Teilnahme und Antidiskriminierung in allen politischen Ebenen zu widmen. Dies sind Menschenrechte, die den Betroffenen bisher vorenthalten wurden. Das will diese Initiative ändern!



1. Grundsätzliches und Forderungen
Dass behinderte und ältere Menschen, wie andere Menschen auch, so lange wie möglich in ihrer eigenen Wohnung und im gewohnten Umfeld leben können, belegt eine Vielzahl von internationalen Beispielen und Entwicklungen. In Schweden wurden die Behindertenheime zielstrebig abgebaut und ambulante Unterstützungen in der Gemeinde aufgebaut. Länder wie beispielsweise Neuseeland, Kanada und die USA beschreiten ähnliche Wege. Es ist nicht einsichtig, dass die Menschen dort hinziehen müssen, wo sie die Hilfe bekommen.

Vielmehr muss die notwendige Hilfe dort geleistet werden, wo die Menschen ihr gewohntes Umfeld haben, sich wohl fühlen und wo sie leben wollen.

Über viele Jahrzehnte haben die gesellschaftlichen und politischen Kräfte in diesem Land eine flächendeckende Versorgung älterer und behinderter Menschen sichergestellt und vorangetrieben. Die öffentliche Fürsorge für diesen Personenkreis im Bereich der Heimunterbringung ist heute für jedermann verfügbar und lässt niemanden bei Alter oder Behinderung allein. Mit großem Engagement der Mitarbeiter und Familienangehörigen wurden ältere und behinderte Menschen unterstützt und betreut. Diese Initiative erkennt ausdrücklich an, dass ältere und behinderte Menschen in den vergangenen Jahrzehnten aus der Isolierung und Verwahrlosung herausgeholt wurden und dass hoch engagierte Menschen den vermeintlich „Schwächsten" zur Seite gestanden haben. Dies war für das industrielle Zeitalter und das 20. Jahrhundert auch richtig und wichtig. Jetzt ist eine neue Zeit angebrochen.

In Deutschland hat das SGB IX den Fürsorgegedanken durch den Teilhabegedanken abgelöst. Ein Paradigmenwechsel hat stattgefunden, der nun endlich praktisch umgesetzt werden muss. Die Ansätze des SGB IX sind aufzunehmen und weiterzuentwickeln. Die Menschen- und Bürgerrechte stehen auch international im Mittelpunkt und alle, die im bestehenden System agieren müssen, werden mitgenommen. Wir wollen Praktiker und Verwaltung bei der Nutzung und Vernetzung gemeindeorientierter Unterstützung für ältere und behinderte Menschen dahin gehend beraten, wie man die nachfolgenden Ziele angehen kann. Die Umsteuerung und Umsetzung wird nicht nur mit Hilfe kreativer Ideen für die Entwicklung von Gemeinwesen - und Gemeinwohlorientierung sondern bedarf der Kooperation von Betroffenen, Kosten- und Leistungsträgern, Politik und Verwaltung. Nicht gegen, sondern miteinander können wir Menschen- und Bürgerrechte umsetzen.

Forderungen, die dies ausdrücken sind u.a.:

Alternative, umfassende und bedarfsgerechte ambulante Unterstützungsangebote für behinderte Menschen müssen flächendeckend auf- und ausgebaut werden. Die vermeintliche „Systemsicherheit", die „Heimen" oftmals zugeschrieben wird, mit einem Dach über dem Kopf, Verpflegung, Pflege und Kontakte zu anderen Menschen, muss durch entsprechende alternative Angebote in der Gemeinde gewährleistet werden.


Die Reform der Eingliederungshilfe und anderer Leistungsgesetze darf nicht dazu führen, dass der Begriff „ambulant" missbraucht wird um Kosten zu senken. Dieser Initiative geht es nicht darum, ambulante Versorgung, ambulantes Wohnen und Arbeiten zu fördern weil es billiger ist, sondern weil dies das Leben in Teilhabe und Selbstbestimmung unterstützen und ermöglichen kann. Deshalb muss das Gegenüber von ambulant und stationär langfristig aufgehoben werden – es führt zur technokratischen Interpretation alternativer Hilfesysteme. Behinderte und alte Menschen müssen frei wählen können, wo und wie sie leben wollen. Der alleinige Ausbau ambulanter Strukturen birgt die Gefahr, dass nur die kostengünstigsten und nicht individuell-geeignete Hilfen von den Kostenträgern finanziert werden. Denn alle Menschen haben das gleiche Recht, in der Gemeinschaft zu leben und nicht nur diejenigen, deren Versorgung dort bisher gesichert ist. Hier gilt es, neue Wege zu gehen.


Die Wahlmöglichkeiten der Betroffenen müssen u.a. durch Persönliche Budgets gestärkt und die Unterstützung für ein Leben in der Gemeinde auch für behinderte und ältere Menschen mit sehr hohem Unterstützungsbedarf gewährleistet sein. Es darf nicht sein, dass Menschen mit leichteren Einschränkungen aus „Heimen" ausziehen dürfen und diejenigen zurück bleiben, die einen höheren Unterstützungsbedarf haben. Wir müssen vielmehr bei denjenigen, die mehr Hilfen brauchen, anfangen. So lernen wir automatisch, was möglich ist und wie Hilfen ambulant organisiert werden müssen. Die Kommunen und sozialen und kommerziellen Leistungserbringer müssen vernetzt und an dem Umstrukturierungsprozess beteiligt werden.


Die Inklusion und Integration behinderter Menschen muss gleich von Anfang an, also im Kindergarten und in der Schule, beginnen. Behinderte Kinder, Jugendliche und Erwachsene dürfen nicht der Chance beraubt werden, gleichwertig mit nicht behinderten Menschen zusammen aufzuwachsen, zu lernen, zu arbeiten und ihre Freizeit zu verbringen.


Wenn Aussonderung erst gar nicht praktiziert wird, muss die Integration später auch nicht mehr gepredigt werden und kostspielig umgesetzt werden.


Die maximale Gruppengröße für behinderte und ältere Menschen, die in Gruppen leben wollen, darf ähnlich wie in Schweden fünf Personen nicht übersteigen. Ein familiärer Charakter und leicht überschaubare Strukturen der Angebote sind wichtig und eine zentrale Voraussetzung, um sich wohl zu fühlen. Diese Rechte müssen auch behinderte Menschen haben.


Die gesetzlichen und verwaltungstechnischen Rahmenbedingungen auf europäischer, bundes-, landes- und kommunaler Ebene müssen gezielt so umgestaltet werden, dass behinderte und ältere Menschen Daheim statt im Heim leben können. Die nötigen Reformen müssen unterstützt werden.


Die Betroffenen müssen an den Reformprozessen nach der Devise „Nichts über uns ohne uns" entscheidend beteiligt werden. Ihre Erfahrungen als „Mutmacher" und Vorbilder, aber auch als Menschen, die ihre Menschenwürde und Bürgerrechte einfordern sind im Prozess der Umstrukturierung der Behindertenarbeit entscheidend.


Es muss sichergestellt werden, dass keine neuen Heime für behinderte und ältere Menschen gebaut werden. Denn mit dem Bau neuer Heime werden meist Fakten für mehrere Jahrzehnte und institutionelle Strukturen geschaffen, die Ausgrenzung und Abhängigkeit verursachen. Bestehende Heimplätze und Heime müssen gezielt und mit konkreten Zeitplänen abgebaut und durch ambulante Alternativen ersetzt werden. Dieser Prozess muss konsequent vorangetrieben werden.


Die Beschäftigten der Einrichtungen brauchen hierfür konkrete Vorgaben und müssen auf dem Weg der Reform mitgenommen und qualifiziert werden. Die Bürgerrechte und der Bedarf behinderter Menschen stehen dabei jedoch im Vordergrund.




2. Definition des Begriffs „Heim" und Gestaltung des „Daheim"
Eine Initiative, die grundsätzlich jede Form des Zusammenlebens älterer und behinderter Menschen ablehnt, geht an den Wünschen und der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbei, denen sie eine Hilfe sein möchte. Daher ist es unerlässlich, im Rahmen einer De-Institutionalisierung zu klären, was man möchte und was man nicht erreichen möchte.

Diese Initiative hat sich zur Aufgabe gesetzt, Menschen- und Bürgerrechte älterer und behinderter Menschen generell zum Maßstab staatlichen und gesellschaftlichen Handelns zu machen. Dabei ist primär die besondere Situation dieser Menschen in Wohnheimen zu problematisieren. Es geht uns ganz besonders um den Rückbau von Heimplätzen in Großeinrichtungen und Einrichtungen, die aufgrund Ihrer Konzeption und Ihres Aufbaus nicht gemeindenah arbeiten und die Selbstbestimmung behinderter und älterer Menschen aus diesen Gründen nicht fördern. Es geht auch weniger um die Beschwörung „ambulanter" Formen und die Verurteilung „stationärer" Formen. Internationale Erfahrungen zeigen, dass der Grabenkrieg zwischen ambulant und stationär aufgehoben werden kann. Individuelle und bedarfsorientierte Unterstützungsleistungen für behinderte und ältere Menschen können und müssen unabhängig von diesen Begrifflichkeiten etabliert werden.

Bei der Umsteuerung im Hilfesystem gibt es gerade dort viel zu lernen, wo schon heute Menschen mit Behinderung und psychisch erkrankte Menschen in kleinen Wohngruppen betreut werden. In Schleswig-Holstein haben die „Betreuten Wohngruppen" den Status teilstationärer Einrichtungen. Die Unterscheidung „ambulant", „teil-, vollstationär" soll in Zukunft überflüssig sein. Die Betreuten Wohngruppen bieten die Möglichkeit, einer bedarfsgerechten, individuellen Ausgestaltung der Hilfen. Der Bestand solcher Wohngruppen ist zu stärken.

Sowohl solche „Wohngruppen" als auch das „Ambulant Betreute Wohnen" werden neue Aufgaben bekommen. Die individuelle Hilfeleistung ist das eine, sozial räumlich orientierte Leistungen werden das andere sein. Die Einbeziehung der Nachbarschaft und die Initiierung von Bürgerhilfe und von Patenschaften werden zu dem beitragen, was heute mit „Inklusion" gemeint ist.

Ein Baustopp für neue "Heime" ist unabdingbare Notwendigkeit. Niemand will in einem "Heim" leben, wenn ihm ambulante Alternativen zur Verfügung stehen, die seine Hilfebedarfe decken. Selbst gut geführte "Heime" können durch ihre zwangsläufigen strukturellen Grenzen niemals ein Leben mitten in der Gemeinde ersetzen.

Die Produktion von „Kollektivgütern" produziert in hohem Maße „Schutzfaktoren" (WHO, auch zitiert im Grünbuch der EU) für psychisch erkrankte Menschen. Über diese Arbeit lässt sich viel lernen in den „Offenen Hilfen" (Kontaktstellen, Ambulante Zentren, Begegnungsstätten) im Bereich der gemeindenahen psychiatrischen Versorgung. Diese häufig zuwendungsfinanzierten Arbeitsfelder/Sozialräume müssen unbedingt gestärkt werden. Gerade hier entwickeln sich Selbsthilfenetzwerke, Gemeindenähe, Partizipation, entwickelt sich Veranstaltungskultur, Anti-Stigma-Arbeit und Öffnung.

Das „Daheim" und sein soziales Umfeld gilt es zu gestalten. Die Weiter- und Neuentwicklung von Lebensformen behinderter Menschen, psychisch erkrankter Menschen, pflegebedürftiger alter Menschen in der Gemeinde, im Dorf, im Stadtteil bedarf der Anti-Stigma-Arbeit und der Aufklärung. Die Politik wird den Bürgern und Bürgerinnen helfen müssen, die objektiv steigende Hilfebedürftigkeit und auch die „Helfensbedürftigkeit" (Dörner) zu erkennen und entsprechend zu handeln. Womöglich brauchen wir so etwas wie ein „Gesetz zur Förderung der gesellschaftlichen Unterstützung des kommunalen Hilfesystems".



3. Marktsteuerung
Die Marktorientierung und -steuerung, die vom Gesetzgeber gewollt wurde, muss kontrolliert werden. Ein rein marktgesteuertes Hilfesystem kann nur ungleich behandeln. Damit also die "Schwächsten" (schwer mehrfach behinderte Menschen, schwer chronisch psychisch erkrankte Menschen) nicht vernachlässigt werden, müssen Staat/Politik deren Interessen wahren. Der Hilfebedarf dieser Personengruppen ist zu gewährleisten. Es ist fraglich, ob der Kundenbegriff hier hilfreich ist. Der hilfebedürftige Bürger hat Rechte und den Anspruch auf Anerkennung und Solidarität von den Mitbürgerinnen und Mitbürgern.

Das Wunsch- und Wahlrecht des SGB IX muss verwirklicht und beachtet werden – dann wird im Rahmen des Persönlichen Budgets eine Souveränität für behinderte Menschen geschaffen, die mehr einem Arbeit- und Auftraggeber entspricht als einem Kunden.



4. differenzierte Hilfen
Bei allen Schritten der Umsetzung ist auf den unterschiedlichen Hilfebedarf der Menschen zu achten. Menschen mit Down-Syndrom benötigen andere Hilfen als Frauen mit Rett-Syndrom und psychisch erkrankte Menschen benötigen andere Hilfen als Menschen mit einer körperlichen Behinderung. Die Gruppe der behinderten und älteren Menschen ist ein extrem inhomogener Personenkreis. Ein Umbau des Unterstützungssystems muss die Balance zwischen Selbstbestimmung und Fürsorge, zwischen Privatheit und Sicherheit sowie zwischen Autonomie und Vereinsamung halten. Die Vertreter der verschiedenen Selbsthilfeorganisationen und Angehörigengruppen sind deshalb einzubinden.

Im Prozess der Umsteuerung des Hilfesystems, ist zu gewährleisten, dass auch für schwerstbehinderte Menschen mit einem Pflege- und Betreuungsbedarf rund um die Uhr und für schwer chronisch psychisch erkrankte Menschen weiterhin angemessene und menschenwürdige Formen des Lebens und der Betreuung erhalten bleiben, bzw. neu entwickelt werden.

Diese Menschen dürfen weder vernachlässigenden Situationen ausgesetzt sein, noch darf man sie in den Heimen allein lassen. Die „Ambulantisierung" darf nicht zur heimlichen „Selektion" führen. Übergangsprozesse müssen gerade für die „Schwächsten" verantwortlich gestaltet werden. Es muss gewährleistet sein, dass auch schwerstbehinderte Menschen unter Einbeziehung von Leistungen nach SGB V/XI/XII, von Selbsthilfe und bürgerschaftlicher Hilfen (Patenschaften) zuverlässig, dauerhaft menschenwürdig in kleinen Gruppen betreut werden.



5. langfristige Veränderungen
Die Gestaltung der Veränderung im Hilfesystem muss langfristig angelegt sein und darf nicht verwechselt werden mit einer der vielen kurzlebigen Gesetzesinitiativen der vergangenen Jahre. An den Veränderungen des Hilfesystems in Schweden wird seit 30 Jahren gearbeitet. Viel Fortbildungs- und Aufklärungsarbeit wird auch in Deutschland notwendig sein, um mit der Neuorientierung in der Praxis beginnen zu können. Von der kommunalen Verwaltung, über Rehabilitations- und Einrichtungsträger bis hin zu den Bürgerinnen und Bürgern sind alle in differenzierter Weise einzubeziehen, damit die Umsteuerung im Hilfesystem, vor allem natürlich im Interesse der hilfebedürftigen Bürgerinnen und Bürger nachhaltig, "verlässlich und verallgemeinerbar" (Dörner) werden kann.



6. Ansätze zur Verbesserung des Hilfesystems
Zu prüfen ist, wie es sowohl für hilfebedürftige Bürger als auch für Träger von Einrichtungen erheblich vereinfacht wird, Hilfen aus den verschiedenen Sozialgesetzbüchern zusammenzuführen, sinnvoll zu verbinden, unbürokratisch zu beantragen und zu handhaben. Die Servicestellen nach dem SGB IX haben keine maßgebliche Wirkung entfaltet. Die Modellprogramme zum Trägerübergreifenden Persönlichen Budget sind sehr aufwendig, für viele Menschen nicht zugänglich und handhabbar.

Zudem werden beide Institute des SGB IX von den Kostenträgern nur selektiv angewandt. Im Bereich der gemeindepsychiatrischen Arbeit kann man sehr gut lernen, wie viele Möglichkeiten verhindert werden, weil eingliederungshilfefinanzierte und krankenkassenfinanzierte Leistungen unvermittelt nebeneinander erbracht werden.



7. Arbeitsintegration für behinderte Menschen
Eine Stärkung der „ambulanten" Lebensformen behinderter Menschen erfordert zugleich neue Ideen zur Integration behinderter Menschen in das Arbeitsleben, die Stärkung niedrigschwelliger Arbeitsmöglichkeiten, die Weiterentwicklung von WfbM- Konzepten und die Unterstützung der Entwicklung von „Integrationsbetrieben". „Ambulantisierung", Leben im Gemeinwesen ohne Arbeitsmöglichkeiten können zu so etwas wie ambulanter Hospitalisierung führen. Für die Entwicklung von praktizierbaren, ökonomisch machbaren Arbeitsmöglichkeiten ist vor allem eine Abstimmung mit der maßgeblichen Steuergesetzgebung notwendig.

Zurzeit steigt die Zahl der arbeitslosen Menschen mit Behinderung und der Arbeitsplätze in Werkstätten für behinderte Menschen. Diese Einrichtungen weiterzuentwickeln, muss Ziel einer gemeindeorientierten Politik für behinderte Menschen sein. Es müssen Alternativen und Lösungen wie die „virtuelle Werkstatt" gefunden und umgesetzt werden, um den Zulauf in WfbMs zu bremsen und mehr behinderten Menschen die Chance auf Teilhabe am Arbeitsleben zu geben.

Auch die Belange der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen berücksichtigt werden. Der Umbau des Hilfesystems wird nur gelingen, wenn alle Beteiligten in diesen Prozess einbezogen werden. Denn es geht nicht nur um neue institutionelle Strukturen, sondern um ein neues Denken und Handeln in Politik und Praxis für behinderte Menschen.
 
moin moin inge,

wir - gila und ich - haben die artikel sehr aufmerksam gelesen. wir können uns den zitaten nur anschliessen und wünschen uns eben eine solche wohnmöglichkeit - nicht nur für ronja - sondern auch für uns selbst, dass wäre doch toll. man müsste nicht weg, sondern würde innerhalb eines systems wohnen, dass einem hilfe in dem nötigen rahmen angedeien lässt und man dabei seine würde nicht verliert.
 
eine Wohnform, die mir schon vor längerem aufgefallen ist, sind die Arche-Gemeinschaften, die von Jean Vanier gegründet wurden.
Was uns vorschweben würde: dass Annika in einer solchen oder ähnlichen Wohngemeinschaft leben und tagsüber eine Förderstätte besuchen könnte.
 
Hallo zusammen,
gestern habe ich das St.-Josefs-Stift in Eisingen besucht. Dabei waren wir auch in einer Außenwohngruppe, die im Rahmen der 'Dezentralisierung' geschaffen wurde.
Wir waren über 3 Stunden in dieser Einrichtung (verschiedene Wohnformen und Förderstätte) und bin völlig geplättet von dieser Außenwohngruppe (da waren wir bestimmt auch fast 45 Minuten), in der 7 (teilweise schwerstbehinderte) Personen in einem umgebauten Kindergarten zusammen leben und z.T. auch in die externe Förderstätte bzw. Werkstatt gehen.
Der Personalschlüssel für die Außenwohngruppe ist 1 : 1,3 (wie üblich in Einrichtungen der Eingliederungshilfe).
Die Wohnlage ist dörflich mit Nachbarschaft, mit der die Bewohner gut klarkommen; es gibt einen kleinen Garten mit Wiese und Sträuchern und eine Terrasse.
Die Zimmer sind wunderschön gestaltet, mit Farbe und Holz. Zwei Bewohner teilen sich eine Sanitäreinrichtung. Es gibt ein Pflegebad mit spezieller Badewanne.
Die Förderstätte ist ca. 5 km entfernt und wird für 3,5 Stunden pro Tag besucht. Es besuchen nicht alle Bewohner der Außenwohngruppe die Förderstätte, da sie entweder nicht (mehr) transportfähig sind oder nicht wollen. Eine Frau lag auf dem Sofa, schaute nach draußen ins Grüne; sie will nicht in die Förderstätte, weil es ihr in dem Haus so gut gefällt („wie im Urlaub“ ).
Wegen der Therapien hatte ich jetzt nicht speziell für die Außenwohngruppe gefragt, aber ich vermute, dass das wie in der großen Einrichtung auch abläuft. Wie nennt sich diese Vereinbarung mit den Krankenkassen wieder...? :Kratzkopf
Einen Link zu der Außenwohngruppe gibt es (noch?) nicht, da sie erst seit 1 Monat bewohnt wird.
Im Großen und Ganzen: wenn Annika jetzt in eine Einrichtung gehen sollte, dann würde ich sie dort anmelden. Lieber 100 km fahren als das, was der Bezirk hier vor Ort bauen lassen will...

Solche Wohnformen sind einfach wunderbar und wünschenswert... Es ist also möglich!
 
:dankeschö Ilona :Rotwerd:,
und da hab ich gleich noch was im Anhang: den 2. Newsletter der Initiative Daheim statt Heim.
 

Anhänge

  • Newsletter2.pdf
    165,2 KB · Aufrufe: 89
Wichtig, wenn man eine Einrichtung auswählt!

Im Brennpunkt hatte ich schon mal diese Liste eingestellt:

Ist es eine Einrichtung der Eingliederungshilfe oder eine Pflegeeinrichtung?
Wie ist die Größe und die Zusammensetzung der Gruppen?
Wie sieht der Tagesablauf in der Einrichtung aus?
Der Wochenablauf?
Wie oft gibt es regelmäßige Aktivitäten (außer Haus)?
Wie oft gibt es Sonderaktivitäten (außer Haus)?
Können alle Kinder an diesen Aktivitäten teilnehmen?
Kann mein Kind nach Ablauf der Schulzeit in der Einrichtung bleiben?
Gibt es dann eine externe Förderstätte, die mein Kind besuchen kann?


Nach den - teilweise bitteren - Erfahrungen durch die Besuche in verschiedenen Einrichtungen in den letzten Monaten möchte ich noch hinzufügen:
Schaut in die Gesichter und in die Augen der Menschen, die dort schon längere Zeit wohnen!
Die meisten Menschen in den von mir besuchten Einrichtungen hatten ausdruckslose Gesichter, und viele Menschen hatten leere Augen. Sie ähnelten einander unglaublich. Mir ist erst im Laufe der letzten Tage bewusst geworden, wie sehr ich Angst davor habe, dass Annika auch mal so in die Welt schauen könnte.
 
.
Schaut in die Gesichter und in die Augen der Menschen, die dort schon längere Zeit wohnen!
Die meisten Menschen in den von mir besuchten Einrichtungen hatten ausdruckslose Gesichter, und viele Menschen hatten leere Augen. Sie ähnelten einander unglaublich

Gut zu wissen, daß nicht nur ich das beobachtet habe. Ich denke, es fehlt dann einfach die Liebe. Noch so gute Betreuer können die Eltern nicht wirklich ersetzen. Und Partner, mit denen sie eine Liebesbeziehung eingehen können, sind wohl auch schwer zu finden :annienein

Mir ist erst im Laufe der letzten Tage bewusst geworden, wie sehr ich Angst davor habe, dass Annika auch mal so in die Welt schauen könnte.

Diese Angst teile ich mit Dir.


Die Unterschriftenliste habe ich erst heute entdeckt. Ich schwächle im Moment :Rotwerd:

Liebe Grüsse
Rosmarie :blume76:
 
Österreich

Auch in Österreich gibt es jetzt die Inititative Daheim statt Heim. Der Gründer Gerhard Lichtenauer hat schon vor einigen Monaten mit mir Kontakt aufgenommen und im Juni ein Interview bei Bizeps gegeben. Da er Vater einer sehr schwer behinderten Tochter ist, kann er sich in die meisten unserer Probleme gut einfühlen.
Auch für die Österreicher gibt es also nun eine Unterschriftenliste, in die man sich eintragen kann.
 
Hallo ihr Lieben,

eure Sorgen und Ängste kann ich wirklich gut verstehen, ich wollte meine Grazie auch nicht in einer Lebenssituation sehen, in der sie ausdruckslose Augen bekommt oder wo ich in ausdruckslose Augen von Mitbewohnern schaue.

Ja, wir hatten Glück mit dem Zweitzuhause, in dem sie jetzt lebt. Der Platz strahlt eine Heiterkeit aus und ich fahre gerne dort hin, um sie zu besuchen oder in die Ferien zu holen. Und ihr merke ich auch an, wie wohl sie sich dort fühlt. Das liegt natürlich vor allem an den Menschen, die dort pflegen, begleiten und betreuen. So etwas kann es auch geben - ich bin froh und dankbar dafür, weil es mir einfach einen Riesenpacken Sorgen erspart.

Letzten Samstag besuchte ich sie über die Mittagszeit, da die Zeit zwischen Pfingst- und Sommerferien schon eine sehr lange ist, ausserdem macht uns ihr Rücken Kummer und ich wollte schauen, in welche Richtung er sich entwickelt. Ich gehe mit meinen Besuchen während der Schulzeit eher sparsam um, weil das uns beiden wohler tut. Bei ihr löst übersprühende Freude leider gerne einen Anfall aus und das muss nicht sein. Und mir selbst fällt auch nach 4 Jahren die Trennung nicht leicht. Aber dann gab es etwas, was mich sehr freute und auch beruhigte:

Ich machte mir die Zeit davor schon Gedanken darüber, dass ich sie ja jedes Mal aus ihrem Beziehungsgefüge reiße, wenn ich sie in die Ferien abhole. Mein Kopf ist dann in der Regel pratzelvoll durch einen anstrengenden Alltag und die Hoffnung, ja nichts zu vergessen, was wir für die Ferien brauchen. Ich hatte bislang nie gefragt, ob es jemanden gibt, von dem sie sich verabschieden möchte - geschweigedenn bin ich mit ihr eine Runde gefahren und hab sie von ihren Mitbewohnern oder Betreuern einzeln verabschieden lassen. Womöglich war auch ein Gspusi dabei, von dem ich nichts weiß ...
Ich sprach also ihre Betreuerin darauf an, sie lachte und meinte, dass ich mir darüber nun gar keine Sorgen zu machen bräuchte. Sie würden schon einen Tag vorher damit beginnen, ihre Schätzchen vorzubereiten und sich verabschieden zu lassen für eine gewisse Zeit. So etwas finde ich einfach klasse und zeigt mir, dass sie mit Herz und Seele bei ihren Schützlingen sind.

Und dann erzählte sie mir weiter, dass in dieser Einrichtung nun begonnen worden sei, sich sehr bewusst, gewissenhaft und verantwortungsvoll dem Thema Behinderung und Sexualität zu stellen. Und das finde ich für eine Einrichtung unter katholischer Trägerschaft schon sehr beachtlich - ich war sehr angenehm überrascht. Für mich zeigt das einfach, dass sie die Menschen, die sie in ihrer Obhut haben, respektieren und achten mit allem, was zu ihnen gehört und sich Gedanken über ihre Bedürfnisse machen.

Dies nur um zu zeigen, dass nicht über jeder Einrichtung ein Schreckgespenst schwebt, sondern dass es auch anders gehen kann. Klar - solche Plätze sind sicher nicht allzu breit gestreut und oft auch nicht grade um die Ecke. Aber eigentlich sollte es ja so sein.
 
Hallo Judith,

mich würde mal interessieren, wie die Zufriedenheit von Bewohnern und deren Angehörigen ist, wenn die behinderten Menschen in 'gemischten' Einrichtungen wohnen, und wie die Zufriedenheit bei den betroffenen Menschen ist, wenn es reine 'SB-Einrichtungen' (Schwerstbehinderten-Einrichtungen) sind.
Ich kenne bisher kein einziges zufriedenes Elternteil, dessen Kind in einer reinen SB-Einrichtung ist! Und wenn ich in der entsprechenden Fachliteratur lese, dann sind SB-Einrichtungen oder Gruppen völlig daneben.
Ich habe ja immer noch Hoffnung, wenn ich dann andere Eltern höre oder lese, die mit der gewählten Einrichung zufrieden sind. Aber es kommt bei mir auch immer mehr Frust und auch Trauer, wenn das hier vor Ort nicht möglich sein soll. Aber ich arbeite dran...
 
Hallo Inge,

na ja, bei Allegra ist das ja nicht eine reine SB-Einrichtung - das Völkchen ist schon bunt gemischt. Und mit ziemlicher Sicherheit ist das auch dafür verantwortlich, dass das Klima ein gesundes ist.
Es muss nicht nur für die Bewohner fürchterlich sein, wenn das alles einspurig läuft - das ist doch auch für die Betreuer irgendwie ermüdend mit der Zeit. Grade die unterschiedlichen Begabungen, Eigenarten, Grapsen, Temperamente und Finessen halten das lebendig.
Alli war auch schon in einer kompletten SB-Klasse. Nur Rollis, keine(r) konnte reden ... das war grässlich und für mich nicht auszuhalten. Drum war das auch nur ein kurzes Gastspiel.
 
Hallo Judith,

genau das ist es, was ich meine. Sowas kann doch auf Dauer nicht funktionieren... und zum Wohnen gehört nun mal mehr als nur das Versorgt-Sein!
Es ist außerdem nachgewiesen, dass es in SB-Gruppen folgende Tatsachen festzustellen sind (nach Friedrich Dieckmann):
- Verarmung des Wohngruppengeschehens, an dem schwer geistig behinderte Menschen teilhaben
- die Ausbildung lebenspraktischer Gewohnheiten werden eingeschränkt
- sozial-emotionale Abhängigkeiten und Verhaltensauffälligkeiten werden gefördert
- wesentlich weniger positive Sozialkontakte der Bewohner
- ein negatives Ansehen in der Öffentlichkeit
- Pflegeleistungen nehmen überhand, dadurch ist die Teilhabe am öffentlichen Leben sehr eingeschränkt
- 20% der Bewohner von SB-Gruppen kommen höchstens noch 1x pro Monat zum Spazierengehen außer Haus, 5% gar nicht mehr
- Ausflüge sind bei ca. 80% der Bewohner höchstens monatlich möglich
- [...]
 
Liebe Judith, liebe Inge,
Ich habe mir eben bei meiner morgendlichen :kaffeetri vorgestellt, es würden drei Christinas bei mir sitzen. Alleine wäre ich da ziemlich aufgeschmissen. Also bräuchte ich zumindest eine, wenn nicht gar zwei Hilfen. Habe ich eine Christina und 2 Kinder, die jetzt älter als 5 Jahre sind - oder 2 behinderte Menschen, die sich auf diesem Stand befinden - können sich die schon mal selbst versorgen und erleichtern mir auch noch die Betreuung von Christina, in dem sie allerlei Kleinigkeiten erledigen (und nach meiner Erfahrung tun sie das, ohne daß man da groß reden muß). Ich spare mir damit erst mal 2 Betreuer und die Atmosphäre ist natürlich eine ganz andere. Ich kann es gar nicht nachvollziehen, warum schwerstbehinderte Menschen unter Ihresgleichen leben sollen. Das ist schlecht für die Betroffenen und die Betreuer und diese Art der Unterbringung kommt letztendlich auch teurer.
Wo liegt bitteschön das Problem :Kratzkopf.

Liebe Grüße
Rosmarie :blume76:
 
Ballung von Schwer(st)behinderten in Wohngruppen und Tagesförderstätten

Liebe Inge,

als ausgebildeter Heilerzieher, der 3 Jahre in einer Tagesförderstätte für erwachsene Menschen mit Schwerstmehrfachbehinderungen gearbeitet und dabei auch Einblicke in ihre Wohnverhältnisse gewonnen hat, kann ich dir zu deinen Anfagen folgendes berichten:
1. Egal ob im Wohnen oder im sog. "zweiten Milieu", nach meiner Erfahrung ist überall die Ballung von Menschen, die kaum selbständig in direkten Kontakt treten können, für diese Menschen und ihre Betreuer/Assistenten die reine Hölle - bzw. eine Arbeitsbedingung, die auch die besten Motivationen kaputt macht.
2. Ich kenne aber tatsächlich eine Wohngruppe mit praktisch ausschließlich schwerstbehinderten Personen, in der sich die Eltern vom Träger schriftlich haben garantieren lassen, dass die Zusammensetzung der Gruppe nicht verändert wird - und zwar deshalb, weil die Eltern die Sorge habe, dass "fittere" Mitbewohner ihre - in der Tat weitgehend wehrlosen - Kinder schädigen könnten. Bei allem Verständnis für diese Sorge - insbesondere aus meiner Kenntnis um die Geschichte und aktuelle Entwicklung der Trägereinrichtung -: ich finde diese Haltung trotzdem eine Katastrophe!
 
Hallo zusammen,

ja Rosmarie, wo wird das Problem schon liegen? Es ist wohl 'wie immer' :rolleyes:
Die Sozialhilfeträger wollen SB-Einrichtungen, weil dann die Pflegekasse einen (den) wesentlichen Teil der Kosten übernehmen muss. Der übliche finanzielle Verschiebebahnhof halt...
Das 'interne' Problem, das Du mit Deinen drei :engel_29: schilderst, interessiert da wenig.

Gerold, es ist gut, wenn auch die Profis sagen, dass die 'gemischten' Gruppen für alle Beteiligten der bessere Weg sind!
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Wohnalltag und Kontaktchancen schwer geistig behinderter Erwachsener

Klappentext: In der Bundesrepublik Deutschland leben etwa 30.000 schwer geistig behinderte Erwachsene in institutionellen Wohngruppen. Während die gesellschaftliche Gleichstellung und Integration behinderten Menschen insgesamt voranschreiten, droht dieser Personenkreis erneut marginalisiert zu werden. Der Autor untersucht, wie sich eine zunehmende Konzentration schwer geistig behinderter Erwachsener in Wohn(heim)gruppen auf das Wohngeschehen und die Sozialkontakte der Bewohner auswirkt. Beispielsweise nehmen die Bewohner in Wohngruppen, in denen mehrheitlich schwer geistig behinderte Menschen leben, untereinander selten Kontakt auf. Die Wohngruppen sind nur eingeschränkt in der Lage, einen Wohnalltag zu entfalten, der kulturell üblichen Erwartungen entspricht.
Daraus ergeben sich sozialplanerische Konsequenzen. Die Kunst besteht darin, Haushaltsgemeinschaften zu fördern, in denen schwer behinderte Menschenzahlenmäßig in der Minderheit sind, und diese zugleich in Wohnumfelder einzubetten, die Bewegungsfreiräume und Kontaktgelegenheiten eröffnen.
[...]
 
Ich les jetzt schon ne zeitlang bei dem Thema mit und mein Bedürfnis, meinen Senf auch dazu zu geben steigt stetig an!

Eine "Monokultur" klappt nirgends, das sieht man schon im Wald! Eine integrative Einrichtung würde ich persönlich jederzeit vorziehen. Das aus mehreren Gründen. Zum einen, weil ich an Andrea gesehen habe, wie sie sich an "stärkere" anpassen kann. Sie lernt ständig von den Fitten, das wäre nicht der Fall, wenn alle auf dem gleichen Stand wären, oder nur Schwerbehinderte im KiGa, bzw Schule gewesen wären. Von wem sollte sie lernen? Als 2. Grund sehe ich das Ortsansässige heilpädagogische Kinderheim an. Das ist auch eine reine SB-Einrichtung. Jedes Mal, wenn ich da bin, bin ich schockiert. Nicht, dass es den Kindern schlecht gehen würde oder sie nicht richtig versorgt wären, aber jedes Kind lebt für sich und das auf den eigenen Zimmern. Es gibt keinen Kontakt unter ihnen. Dazu kommt, dass sich das Personal auch darauf beschränkt, nur das wichtigste zu machen. Ich sehe natürlich nicht nur Vorteile einer gemischten Gruppe, aber diese überwiegen eindeutig. So kann es in einer gemischten Gruppe gut vorkommen, dass die Fitteren benachteiligt sind, denn die schwer(st)behinderten sind ja sehr aufwendig. Angesichts des ständigen Personalmangels, da Geldmangel, können dort Probleme entstehen. Geld ist leider immernoch der größte Arbeitgeber, wie du schon geschrieben hast. So war es auch nur eine Frage der Zeit, bis die Kurzzeitpflegestellen in besagtem Heim gestrichen wurden und es nun hier keine mehr gibt! Daneben wird das Personal gegen "billigere" Kräfte ausgetauscht, was zwar nicht zwangsläufig heißt, dass die Qualität leiden muss, kann aber! Was aber noch schlimmer ist, ist dass das Personal auch noch gekürzt wird, wo es möglich ist. Mehr Personal, als die Heimaufsicht vorschreibt, hat wohl lange schon keiner mehr. So sind in der Nacht 3 Leute für 3 Gruppen à 8 SB-Kinder da! Das dort dann die Kinder sehr kurz kommen, ist ja klar! Hätte man fittere Kinder mit in den Gruppen, hätte man auch eine Arbeitserleichterung, den viele wollen gefordert werden und helfen gerne mal mit (Tisch decken, aufräumen usw). Ich bin mal gespannt, wann mal jemand auf den Trichter kommt, dass es so nicht weitergehen kann und sollte! Aber, vorerst - Welche Wahl bleibt den Eltern?
 
Zurück
Oben