Alternative Wohnformen

Nachricht bei Kobinet

Bürokratie siegt über Menschenwürde und Selbstbestimmung
Es macht mich so was von wütend, wenn alternative Wohnformen, in denen die Menschen (egal ob alt oder jung) zufrieden leben, mit vorgeschobenen "Argumenten" oder überflüssigen Paragraphen so massiv be- und verhindert werden.
Mit dieser - für mich sehr fragwürdigen - Methode nimmt man auch anderen Menschen den Mut und die Energie, ein selbstbestimmtes Leben im Alter oder bei Behinderung anzustreben.
 
Geplantes Behindertenheim stößt auf Ablehnung

Ehepaar will auf eigenem Grundstück Heim errichten lassen, in dem Sohn und vier weitere Behinderte leben können - SPD und Grüne lehnen das Vorhaben ab - Nachbarn stellen Gegenantrag - Vorwurf der Bereicherung

Lessenich-Messdorf. Ein Haus für behinderte Menschen soll es werden. Ein Haus, in dem sie betreut werden, aber weitgehend selbstbestimmt leben. Fünf Schlafzimmer, jedes mit einem kleinen Bad. Im Keller können die Bewohner kickern. Es gibt einen kleinen Raum für Feiern - und einen Garten. Und einmal im Jahr fahren alle im hauseigenen Bus in den Urlaub.

So ähnlich stellen sich Hubert und Ursula Chrysant das Umfeld vor, in dem ihr 32-jähriger geistig behinderter Sohn nach ihrem Tod leben soll. Doch aus Politik und Nachbarschaft gibt es Vorbehalte gegen das Vorhaben der kleinen Familie, die nichts mit dem ehemaligen Gartencenter zu tun hat.

Neben dem Grundstück, auf dem das Wohnhaus der Familie steht, besitzt das Ehepaar ein weiteres, auf dem das Haus für die Behinderten gebaut werden soll. Den Rest der beiden Grundstücke, der landwirtschaftlich genutzt wird, wollen die Chrysants verkaufen - um das Haus für die Behinderten bauen und unterhalten zu können.

"Wenn alles auf den Weg gebracht ist, soll unser Geld in eine Stiftung fließen, die zu diesem Zweck gegründet wird", sagt Chrysant. Es gehe nicht darum, sich zu bereichern. Im Gegenteil: "Wir wollen unseren Sohn gut versorgt wissen, aber auch anderen helfen. Denn es besteht ein Mangel an Plätzen."

Um das Projekt in die Tat umzusetzen, hat das Ehepaar einen Bürgerantrag gestellt: Erstens wünschen sie sich die Genehmigung für den Bau des Hauses. Und zweitens soll auf den Grundstücken das Bauen erlaubt werden - um sie verkaufen zu können.

Das gestaltet sich schwierig: Im November 2006 wurde der Antrag im Bürgerausschuss diskutiert - und vertagt. Genau wie im Planungs- und im Hauptausschuss. Jetzt stand der Antrag wieder auf der Tagesordnung von Planungsausschuss und Bezirksvertretung (BV). Und stieß bei SPD und Grünen auf Ablehnung. "Wir dürfen keine Ausnahme machen", sagte Karl Uckermann von den Grünen. "Wir können nicht helfen, der Regierungspräsident ist Herr des Verfahrens, nicht wir", so SPD-Ratsherr Werner Esser.

Das sahen Unionspolitiker ganz anders: "Das ist eine vorbildliche Sache, der wir uns nicht verschließen dürfen", sagte Harald Wendlberger. Die Diskussion sei scheinheilig, ergänzte Heinz Hentschel: "Bei Asbeck sind Ausnahmen okay, und jetzt nicht." Gegen die Stimmen der Grünen und bei Enthaltung der SPD passierte der Antrag den Planungsausschuss, in der BV wurde er abgelehnt - von SPD und Grünen. Unter anderem, "weil die Bebauungsgrenze nicht ausgefranst werden soll", so Herbert Spoelgen. Am Donnerstag befasst sich der Hauptausschuss mit der Thematik.

Dort wird den Politikern ein Antrag vorliegen, in dem sich die Nachbarn gegen den Plan aussprechen. Die Gleichbehandlung aller Bürger sei wichtig - egal ob wohlhabend oder nicht. Es müsse garantiert werden, dass sich die Eheleute, an deren Aussage die Nachbarn zweifeln, nicht bereicherten. Es solle darüber nachgedacht werden, dass weitere Bebauung zusätzlichen Verkehr bedeute - und die Aussicht beeinträchtigt werde. Außerdem könnten die Behinderten anderswo untergebracht werden.

"Wir haben kein anderes Bauland", sagt Ursula Chrysant, die noch erleben möchte, dass es ihrem Sohn in seinem neuen Umfeld gut geht. Jetzt wartet das Ehepaar auf die Entscheidung des Hauptausschusses: "Wir hoffen, dass das gut geht. Wenn nicht, wissen wir nicht mehr weiter", sagt die 55-Jährige.
 
„Leben in der Gemeinde!“ - Wie Menschen mit (geistiger) Behinderung zukünftig wohnen wollen, können, werden.

DOKUMENTATION der Fachtagung am 04. – 05. November 2004 in Leinfelden-Echterdingen​

Aus dem Ausschreibungstext der Fachtagung:
Das traditionelle Heimsystem für Menschen mit Behinderungen ist in die Kritik geraten. Die einen sagen, das Heim als „Auslaufmodell“ entspreche nicht mehr den heutigen gesellschaftlichen Anforderungen an Individualität und ein selbst bestimmtes Leben. Politik und Kostenträger vermuten, im Heim lebten Menschen, die diese Hilfe gar nicht benötigten. Sie könnten ambulant viel günstiger betreut werden. Was ist dran an der Diskussion?
Im November 2002 hatte der Landesverband der Lebenshilfe bereits einen Fachtag zur „Zukunft von Wohneinrichtungen“ veranstaltet. Angeregt durch die Thesen von Prof. Klaus Dörner („Arbeitsgruppe Menschen in Heimen“) wurden die Zukunftsperspektiven eines Wohnens behinderter Menschen außerhalb von Heimen diskutiert.

Die Dokumentation hat 76 Seiten und ist recht interessant zu lesen.
 
Hallo Inge,

ich hab diese Dokumentation kurz überflogen und sie ist wirklich interessant.
Erstaunlich ist nur, dass seit Jahrzehnte von Behindertenvereinigungen separiert wird und wurde und diese die eigentlichen Bedenkenträger waren, ob man Menschen mit Behinderungen unter die "Normalos" lassen kann.
Seit ich weiß, dass Christina das Rett-Syndrom hat, kämpfe ich gegen dieses "bei uns ist sie doch am besten aufgehoben" an. Das kostete mich ungefähr soviel Kraft wie aller Behördenkram zusammen. Ich habe mich häufig gefragt, ob ich jetzt mein Kind nicht loslassen kann (so wurde mir das zumindest in den Anfangszeiten unterstellt ) oder ob es die Leute in den Einrichtungen nicht können.Und ich bin jetzt schon froh, dass mir diese Dokumentation bestätigt, dass ich in Sachen Lebensqualität doch immer ziemlich richtig gelegen habe.

Liebe Grüsse
Rosmarie :blume76:
 
Vortrag über das Persöhnliche Budget in unserer Zeitung

Hallo,

heute steht in unserer Zeitung etwas drinn über das PB. U.A. wird erwähnt, dass man es nutzen kann , um in Wohngemeinschaften zu leben.
Ich kopier euch den Beitrag mal hier rein.
In Göttingen ist der Verein "SELBER" inzwischen sehr aktiv, die ersten Behinderten wollen im Herbst in eine WG zusammenziehen.

Liebe Grüße, Ute
 

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Grüß Euch,

in Tübingen gibts ein tolles Wohnmodell der Lebenshilfe - darüber stand letzte Woche etwas in der Zeitung, nachzulesen bei: www.tagblatt.de (Suchbegriff: Lebenshilfe). Das ist doch das, was wir für die Mädels wollen :daum3.

Ich find meine Stadt grad mal wieder richtig gut.
 
Inge - ein Hit jagt den anderen!

Liebe Inge!

Du bist wirklich der Hit! Wenn Du noch so einen "Treffer" in den nächsten 48 Stunden landest wie Mobile e.V., dann wirst Du "zwangsverpflichtet" zur Teilnahme bzw. noch besser zur Moderation unserer Diskussion mit Prof. Dörner am Samstag in Kaltenkirchen - ist ja eh nur ein Katzensprung aus Unterfranken...

Apropos Unterfranken! Zu Deinem sich abzeichnenden Erfolg in Eurem Unterbezirk fällt mir nur das Lob der Arvenerin aus "Asterix auf Korsika" ein: "...alscho schagenhaft!"
 
Grüß Euch,

in Tübingen gibts ein tolles Wohnmodell der Lebenshilfe - darüber stand letzte Woche etwas in der Zeitung, nachzulesen bei: www.tagblatt.de (Suchbegriff: Lebenshilfe). Das ist doch das, was wir für die Mädels wollen :daum3.
Ich find meine Stadt grad mal wieder richtig gut.

Verzeiht, wenn mal einfach so reinplatze. Ich komme aus Österreich und bin erst seit heute in diesem Forum.

Wie dieses „Mittendrin“-Wohnprojekt der Tübinger Lebenshilfe (http://www.tagblatt.de/2245170) beschrieben ist, klingt alles sehr gut. Ich wünsche allen Beteiligten solcher begrüßenswerter Projekte, dass es tatsächlich so ist und falls es noch Mängel geben sollte, diese gemeinsam gelöst bzw. verbessert werden.
Gegenüber wohlklingenden Selbstdarstellungen bin ich inzwischen aus Erfahrung vorsichtig geworden. In einer ähnlich sich darstellenden Einrichtung in Österreich wurde unsere Pflegetochter Katja (basal, Wachkoma) fristlos und ungesetzlich rausgeworfen (in Abstimmung mit der Aufsichtsbehörde), nachdem wir als Experten Pflege-, Betreuungs-, Hygiene- und Strukturmängel aufgezeigt hatten.
Ich möchte betonen, dass es enorm wichtig wäre, dass die Betroffenen, bzw. bei mangelnder Selbstvertretungskompetenz deren Eltern oder gesetzlichen Betreuer / Vertrauenspersonen eine sehr hohe Mitsprache, besser noch eine Selbstverwaltung solcher Wohngemeinschaften innehaben.
Gegenüber Leistungsträgern, die in starker Abhängigkeit vom Kostenträger (öffentliche Hand), immer wieder in der Versuchung stehen, sich als willfährige Vollzieher von Ökonomisierungen verwenden zu lassen, sollen wir nicht nur ein gesundes Misstrauen bewahren, sondern auch einen wirksamen Gegenpol bilden. Liebe Grüße
 
Hallo Gerhard,
hallo zusammen,

eine geeignete Wohneinrichtung für unsere Kinder zu finden, ist (nicht nur durch die Restriktivität einiger Kostenträger) in manchen Teilen Deutschlands (und auch Österreichs) anscheinend sehr schwierig bis unmöglich. Die Ansicht "wir wissen schon, was am besten für die Behinderten ist", ist leider noch in den Köpfen von einigen Einrichtungsträgern vorhanden.

Die Tübinger Einrichtung ist aber schon auf dem richtigen Weg, da sie über das Persönliche Budget finanziert wird. Somit sind die Bewohner auch die Entscheidungsträger.

Aber wie Du schon schreibst: wenn Menschen (wie unsere Kinder) sich nicht selbst vertreten können, dann sollte (eigentlich: muss) das Mitspracherecht ein Recht der gesetzlichen Betreuer sein. Bisher ist das leider nur möglich, wenn die Finanzierung über das PB läuft - ansonsten bleibt es vom guten Willen der Einrichtungsträger abhängig...

Ich hoffe sehr, dass nach dem Vortrag von Professor Dörner einige interessante Informationen von unseren Nordlichtern hier eintrudeln werden.
 
Hallo und willkommen bei uns, Gerhard,

natürlich ist es immer wichtig, Augen und Ohren offen zu halten. Das Optimale wird selten zu erreichen sein, auch wenn wir uns das noch so sehr wünschen. Es darf aber schon in Richtung Optimum gehen. Ich glaube, ohne Mitarbeit und Begleitung wird es letztlich nicht gehen. Einrichtungen, die dies ablehnen, sind mir suspekt.

Bei uns stellt sich in 2 bis 4 Jahren die Frage wieder, wie und wo meine Tochter leben wird. Dann wechselt sie aus der derzeitigen Wohngruppe im Schul-/Kinder-/Jugendbereich in den Erwachsenenbereich. Das wäre in der selben Einrichtung möglich, bedeutet aber, dass sie weiterhin knappe 150 km entfernt lebt und das möchte ich dann nicht mehr, eigentlich schon jetzt nicht, aber um die Ecke gibt es keine Alternative und ihre Wohngruppe ist ja auch eine für mich stimmige.

Also rief ich heute bei der Lebenshilfe hier vor Ort an - die im Artikel beschriebene Wohngruppe ist eher für die Selbstständigeren konzipiert und ja auch schon belegt. Man denkt aber wohl schon über eine Wohngruppe nach, in der auch schwerstmehrfachbehinderte Menschen leben können, die Offenheit und Bereitschaft war spürbar. Ich warte derzeit auf den Gesprächstermin ;-) Falls es möglich sein wird, gestalterisch mitzuwirken - umso schöner.

Noch bis vor einem Jahr hätte ich nicht daran gedacht, für meine Tochter solch ein Modell auch nur in Erwägung zu ziehen. Bislang bedeutete "Kind zieht aus" schlicht: "Heim". Und für die Rettinettes sowieso - undenkbar für mich, dass eine derartige Lebensform, die auf Selbstständigkeit und Selbstbestimmung fußt, in Frage kommen könnte. Der Umdenkprozess begann im Grunde mit Inges Kampf gegen die Bürokratie. Meine Tochter kann sehr wohl äußern, was sie möchte und was nicht - es dürfte möglich sein, eine geeignete Assistenz zu finden. Und selbst wenn es noch keine konkreten Pläne geben sollte, ist das kein Hindernis - dann wird eben auf den Plan gerufen.

Übrigens haben wir auch schon eine "unehrenhafte Entlassung" hinter uns in der Art, wie Du sie beschrieben hast. Zwar mit wohl etwas anderem Hintergrund, aber ich hatte auch zu viel nachgefragt seinerzeit.
 
Noch eine gute Initiative von Eltern: wohnwerk münchen
Aus einer Elterninitiative ist 2001 der Verein wohnwerk münchen e.V. entstanden.
Mitglieder sind sowohl Eltern von behinderten Kindern als auch Fördermitglieder. Von den z.Zt. 45 Mitgliedern engagieren sich viele im siebenköpfigen Vorstand, in verschiedenen Arbeitsgruppen (Cafe, Fundraising, Arbeitgeber, Wohnen) und in der Öffentlichkeitsarbeit.
In erster Linie schaffen wir Arbeitsplätze für Menschen mit geistiger Behinderung und Autismus, sowohl in Eigenbetrieben als auch auf dem allg. Arbeitsmarkt der freien Wirtschaft und öffentlichen Arbeitgeber.
Zum anderen planen wir kleine Wohngemeinschaften, in denen Menschen mit Behinderung möglichst eigenverantwortlich leben und in die Nachbarschaft integriert sind.
Für Menschen mit hohem Hilfe- und Betreuungsbedarf vermutlich nicht geeignet, aber das könnte man ja entsprechend ändern. Was mir persönlich hier nicht so gut gefällt: "Ziel ist es, Arbeiten und Wohnen in möglichst räumlicher Nähe zusammenzufassen". Ich finde es besser, wenn Wohnen und Arbeitsplatz bzw. Förderstätte auf verschiedenen Grundstücken sind.
 
Liebe Inge,

räumliche Nähe heißt doch nicht zwangsläufig, dass wohnen und arbeiten auf dem selben Grundstück angelegt ist.

Für mich ist mittlerweile klar, dass ich Allegra wieder in der Nähe haben will, sobald sie mit Schule und Praktika durch ist. Für mich bedeutet das eine Entlastung, weil ich dann keinen Spagat mehr in den Ferien machen muss. Bislang verbringt sie sie zuhause - mein Urlaub wird bislang dabei weitestgehend aufgebraucht, wir haben hier ständig wechselndes Personal für die Betreuung und der permanent vorhandene unterschwellige Druck, nicht schnell mal zu ihr zu können (wenns blöd lauft, brauche ich für die 140 km 3 Stunden), wenn es ihr nicht gut geht, fällt dann weg. Für eine Zeit wäre das noch gegangen, aber ich werde ja auch nicht jünger.

Mitte März habe ich einen Termin bei der Lebenshilfe, auf den ich mich freue, zumal ich bei den ersten beiden Telefonaten schon ein gutes Gefühl hatte.
 
"Ziel ist es, Arbeiten und Wohnen in möglichst räumlicher Nähe zusammenzufassen". Ich finde es besser, wenn Wohnen und Arbeitsplatz bzw. Förderstätte auf verschiedenen Grundstücken sind
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Hallo Inge, hallo Judith,

es sollte aber schon gewährleistet sein, dass Menschen mit Behinderungen nicht stundenlange Busfahrten zur Förderstätte bewältigen müssen. Einige verkraften das sicher ganz gut, aber für viele wird diese Fahrerei zur Tortour. Dazu zähle ich die Anfallskranken, Menschen mit starkem Bewegungsdrang und die, die es nicht ertragen können, längere Zeit so nahe mit anderen zusammenzusitzen. Eine TaFö in nächster Nähe und dafür zu Fuß laufen (Rolli gilt auch :happy09:) und damit gleich mal an die frische Luft kommen, ist auch nicht schlecht.

Liebe Grüsse
Rosmarie :blume76:
 
Hallo zusammen,

bei dem Ausdruck "räumliche Nähe" werde ich durch meine bisher gemachten Erfahrungen (wie schlechte Dinge gut beschrieben werden) nun mal misstrauisch... :Rotwerd:

Ideal wäre meiner Ansicht nach entweder der Rosmarie beschriebene Fußmarsch oder eine Entfernung bis zu 5 Kilometern.
 
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