und hier nun der Beitrag von Dr. Laccone.
Mille Grazie Dr. Laccone
Sammelt bitte Eure Fragen dazu, Dr. Laconne wird sie in Limburg auf unserer JHV beantworten.
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Liebe Eltern,
liebe Elternhilfe Mitglieder,
hiermit möchte ich die neulich, sehr aufregend publizierten Ergebnisse über das Rett Syndrom erklären und kommentieren. Zunächst jedoch zu den Experimenten:
Die Gruppe von Professor Bird hat Mäuse genetisch modifiziert (d.h. deren Erbgut wurde im Labor verändert), die ein Stopp Signal im MECP2 tragen. Dieses Signal ist am Anfang und am Ende von zwei „Schneidepunkten“ umschlossen. Nennen wir diese Mäuse: Rett_Stopp_Mäuse (RS-Mäuse). Die männlichen RS-Mäuse erkranken und sterben. Die weiblichen RS-Mäuse, die zusätzlich eine „normale Kopie“ des MECP2 Gens tragen, zeigen zwar einigen Symptome (Übergewicht und Verhaltensauffälligkeiten), jedoch können sich reproduzieren. Diese weiblichen RS-Mäuse wurden dann mit männlichen ebenso veränderten Mäusen, die eine spezifische Schere für die Schneidepunkte des veränderten MECP2 Gens in Ihrem Erbgut tragen, verpaart. Die Schere schneidet, wenn sie von einem gewöhnlichen Hormon eingeschaltet wird (Tamoxifen). Nennen wir diese Mäuse Tamoxifen_Schere_Mäuse (TS-Mäuse). Die Nachkommen aus diesen Verpaarungen, die beide genetischen Veränderungen tragen, RS-Mäuse/TS-Mäuse wurden dann ab einem gewissen Alter mit Tamoxifen gespritzt. Das Tamoxifen aktiviert die Schere, die dann das Stopp Signal vom MECP2 entfernt, so dass das Protein wieder produziert wird. Die klinische Wirkung ist sehr bemerkenswert. Dazu gibt auf der RSRF Home Page entsprechenden Videos.
Die publizierten Daten zeigen uns, dass die Neuronen, die für eine gewisse Zeit kein MECP2 Protein produzieren, wieder in die Lage gesetzt werden erneut das Protein zu bilden, eine quasi normale Funktion wiedergewinnen können.
Um ähnliche Ergebnisse beim Menschen erzielen zu können, müsste man in der Lage sein den genetische Defekt zu reparieren oder das „nicht mutierte“ Gen in den Zellen einschalten zu können. Für beide dieser Ansätze steht keine Technologie zur Verfügung und wird auch mittelfristig nicht zur Verfügung stehen. Diese trickreichen genetischen Experimente sind jedoch Grund zum Optimismus. Es ist denkbar, dass auch bei „älteren“ Rett Frauen und Kindern, wenn ein Medikament verfügbar wäre, therapeutische Effekte zu erwarten sind, während bei kleinen Kinder deutlich bessere Ergebnisse erzielt werden können.
Der realistische und schnellste Weg zur Therapie für das Rett Syndrom ist die Entwicklung eines Medikaments, welches die Funktion des MECP2 Proteins übernimmt oder die Konsequenzen des fehlenden oder nicht-funktionierende MECP2 korrigiert. Unser Forschungsprojekt setzt gerade an dieser Stelle an und wir haben bereits Ergebnisse erzielt, die vielversprechend sind. In Anbetracht der publizierten Daten, schätze ich das Potenzial des TAT-MECP2 Proteins deutlich höher ein, als bis dato angenommen. Wir, damit ist die Universität Göttingen und meine Person gemeint, haben bereits mehreren Gespräche mit einem Investor und mit einer bedeutenden deutschen Pharmafirma geführt, bezüglich einer industriellen Entwicklung der Proteintherapie. Ob und wann wir eine Kooperation mit solchen Partnern anfangen werden, kann ich zurzeit nicht voraussagen. Aufgrund der Geheimhaltungsvereinbarung darf ich auch keinen Namen nennen. Diese Kooperation ist unabdingbar um unterschiedliche Parameter, die für die Anwendung an Menschen untersucht werden müssen, zu klären. Wenn alle medizinischen und rechtlichen Voraussetzungen erfüllt werden, kann dann das Protein als Medikament zugelassen werden. Die Umsetzung von Experimenten von Tieren auf den Menschen erfordert 3 bis 5 Jahren, vorausgesetzt, dass das „Medikament“ gute Wirkung zeigt. Ich werde mich in Italien beim Rett Meeting mit Dr. Bird treffen und dort auch über das Rett-Syndrom referieren. Bestimmt wird dort darüber diskutiert. Mein Wunsch ist es Kooperationsmöglichkeiten zu finden, um die noch offenen wissenschaftlichen Fragen so schnell wie möglich beantworten zu können.
Am Rande möchte ich noch erwähnen, dass mit der Protein Therapie alle Rett Kinder behandelt werden könnten, unabhängig vom Mutationstyp (Punktmutation, Deletion etc..). Denkbar wäre auch bei Kindern ohne erkennbare Mutation eine sog. Therapie ex adjuvantibus durchführen zu können. Die Therapie soll individuell eingestellt werden, da Kinder mit Rett Syndrom unterschiedliche Krankheitsverläufe haben.
Schließlich möchte ich sie daran erinnern, dass der Mensch doch anders ist als eine Maus, d.h. eine 100% Übertragung, der an Mäusen erzielten Ergebnisse, auf den Mensch ist nicht möglich.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Franco Laccone