Hallo, ihr Lieben,
kennt das jemand von euch?
Marie hat täglich furchtbare Wutanfälle:
Sie schreit extrem laut und der Zorn funkelt in ihren Augen. Sie kommen völlig unberechenbar plötzlich daher. Heute sind wir z.B. in die Stadt zum Christkindlmarkt gefahren. Wir haben ihr genau erklärt, was wir vorhaben, trotzdem fing sie im Auto an zu brüllen und zu toben - in der Stadt am Parkplatz angekommen, war ihr plötzlich alles klar und sie strahlte wieder wie ein Honigkuchenpferd. Es geht uns mittlerweilen so an die Substanz. Zum Glück ist unser Nachbar in der anderen Doppelhaushälfte so gut wie taub - sonst würden wir wahrscheinlich schon massive Probleme haben.
Wenn sie so wütend ist, hilft auch kein Kommunikation über den Tobii, sie blendet sich völlig aus und ist eben nur noch am Schreien und Toben.
Das geht nun schon seit ein paar Jahren so - und wir beide sind ziemlich ratlos.
Gegen eine medikamentöse Behandlung mit Risperdal wehren wir uns nach wie vor.
Fällt jemand etwas anderes ein??????
LG
Isolde
Alter Beitrag, aber bei uns ebenso aktuell.
Allem Voran: Jenni hat keine Epilepsie.
Wir reden über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren. Zuerst kamen aus der Kurzzeitpflege Beschwerden wegen dauerhaftem Schreien mit der Forderung nach einer "Bedarfsmedikation" - das haben wir abgelehnt und sahen auch keine Veranlassung, denn daheim "war es nicht so schlimm" und haben einfach mal die Kurzzeiteinrichtung gewechselt.
Seit gut 2 Jahren wurde es dann auch zu Hause schlimmer. Speziell am Abend, trotz Müdigkeit erst mal 2 Stunden anhaltendes Brüllen, schlechtes Schlafen und tagsüber - na, ja - bei Schlafdefizit ist niemand gut drauf. Schreiphasen aus dem Nichts heraus.
Eine Medikation haben wir zuerst abgelehnt und es dann auf Anraten von Herrn Wilken mit "harmlosen" Mitteln wie Melatonin - normal ebenso wie retardiert - und einem ganz sachten Blutdrucksenker versucht - Keine Besserung
Inzwischen hat die 2. Kurzzeitpflegeeinrichtung auf Aufnahme von Jenni verweigert; sie würde mit ihren Schlafstörungen und den Verhaltensauffälligkeiten den Ablauf zu sehr stören.
Auch an diesem Punkt wollten wir noch nicht zu härten Mitteln greifen.
Es musste wohl noch schlimmer kommen, obwohl wir inzwischen selbst mit den Nerven am Ende waren.
Aber erst letzten Herbst, als auch die 3. Kurzzeitpflegeeinrichtung die Aufnahme verweigerte, immer mehr Beschwerden seitens der Tagesförderstätte, dem Buspersonal und anderer Eltern kamen, sahen wir ein: jetzt muss eine Medikation her
Der 1. Mittel war Tavor. Das hat bei Jenni jedoch eine Paradox-Reaktion ausgelöst, heißt, es wurde immer schlimmer, wir waren fix und fertig. Abends statt 2 Stunden Brüllen nun 4 Stunden, die Austicker am Tag waren unbeschreiblich. Nach zwei Wochen waren die Nerven so blank, dass ein umgefallener Trinkbecher mir die Tränen in die Augen trieb. - inzwischen habe ich schon mehrfach gehört, dass Tavor Paradox-Reaktionen auslöst und Prof. Wilken rät auch u.a. wegen des hohen Suchtpotentials davon ab
Nächster Versuch: Risperidon: ebenfalls einfach nur schrecklich - die Maus war total abgeschossen (bei geringster Dosierung). Leere Augen, ständig offener Mund, Null Reaktionen, kaum Muskeltonus - unser Wohnzimmerschrank hatte mehr Leben, als sie, also auch keine Lösung
Dann Umstellung auf eine Kombi von Anti-Depressiva am Morgen und einem Neuroleptikum am Abend brachte langsame Besserung. Gerade das Anti-Depressiva braucht eine Weile, bis es wirkt. Dann kam auch noch eine Grippe (abgeschwächt, weil geimpft, aber in diesem Jahr war der Wirkstoff ja nicht so ganz passend) dazwischen. Aber inzwischen ist auch das überstanden und ich habe endlich mein Kind wieder, das lacht, die Augen strahlen, sie hat wieder Spaß am Leben.
Rückblickend würde ich mit einer Medikation nicht mehr so lange warten. Aber man denkt ja einfach immer: ja, das ist Rett, das ist eine Phase, die wird wieder vorbei gehen. Es hat uns viele Nerven gekostet und auch Lebensqualität. Aber auch unserer Süßen. Denn sie wird sich ja ebenfalls nicht wohl fühlen, mit diesen elend langen Schreiphasen bis zum Einschlagen und den "Austickern" am Tag.
Was schlussendlich hilft, ist sicherlich ganz individuell unterschiedlich und ich möchte auch keine Empfehlungen ausgeben. Nur die eine, aus eigener, leidvoller Erfahrung:
auch wenn wir es alle gut meinen mit unseren Kindern und keine Chemie "reinkippen" wollen - wartet nicht so lange, bis der Druck zu hoch ist