Die vorliegende Petition betrifft vordringlich die Bundesrepublik Deutschland. Die beschriebene Praxis des Deutschen Gesetzgebers wird als Benachteiligung von Menschen mit Lernbehinderungen empfunden, weil diese Menschen durch die beschriebene Praxis schlechter gestellt werden als Menschen mit anderen Behinderungen (z.B. Körperbehinderungen). Die Petentin empfindet dieses Vorgehen als Verstoß gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht und genauer als Verstoß gegen Art 13 EG-Vertrag.
Die Petentin bittet das Europäische Parlament im Zuge des laufenden Gesetzgebungsverfahrens für eine horizontale Antidiskriminierungsrichtlinie, die auch das Merkmal Behinderung umfasst, um Überprüfung, ob solche Benachteiligungen von Menschen mit Lernbehinderungen auch in anderen Ländern der Europäischen Union üblich sind, damit dies in der Richtlinie berücksichtigt werden kann.
Die derzeitige bundesdeutsche Gesetzgebung im § 43a SGB XI sieht für pflegebedürftige Menschen in vollstationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe (Wohnheime, deren Schwerpunkt in der sozialpädagogischen Arbeit mit behinderten Menschen liegt und eine pädagogische Leitung hat) einen Abgeltungsbetrag der Pflegekassen vor, der 256 Euro im Monat nicht überschreiten darf.
Durch diesen geringen Abgeltungsbetrag besteht für viele Sozialhilfeträger ein sehr großer finanzieller Anreiz, Menschen mit hohem Betreuungs-/Pflegebedarf (das sind häufig Menschen, die keine wirtschaftlich verwertbare Leistungen erbringen können und als „nicht werkstatt-fähig“ definiert werden) in Pflegeeinrichtungen (Einrichtungen nach Vorgaben der Pflegekasse, deren Schwerpunkt in der Pflege liegt, mit Pflegepersonal wie Krankenschwestern und –pflegern arbeitet und eine Pflegedienstleitung hat) zu drängen oder Einrichtungen der Behindertenhilfe in Pflegeeinrichtungen umzuwandeln, um dadurch höhere Mehreinnahmen von der Pflegeversicherung zu erhalten.
Die pauschale Begrenzung der Leistungen aus der Pflegeversicherung für die Bewohner in Einrichtungen der Eingliederungshilfe auf den Abgeltungsbetrag von höchstens 256 Euro, schließt behinderte Menschen, die in vollstationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe leben, weitestgehend von der Leistung des § 36 Absatz 2 SGB XI aus. Somit verstößt die derzeitige Gesetzgebung gegen das Benachteiligungsverbot im Grundgesetz (Art. 3, Abs. 3) und gegen den Artikel 13 des EG-Vertrages.
Das Europäische Parlament möge bewirken, dass der § 43a Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) dahingehend geändert wird, dass auch die in vollstationären Einrichtungen der Behindertenhilfe lebenden Menschen im Bedarfsfall (anstelle der pauschalen Leistungen der Pflegekasse von zurzeit höchstens 256 Euro) Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung - gestaffelt nach Pflegestufen - in der gleichen Höhe erhalten wie für die Pflegesachleistungen im häuslichen Bereich (§ 36 Abs. 2 SGB XI).
Und dass der o. g. Sachverhalt in der Richtlinie berücksichtigt wird, damit Menschen mit Lernbehinderungen nicht weiter benachteiligt werden.
Die behinderte Tochter der Petentin ist von dieser Gesetzgebung betroffen, sobald sie aus dem Elternhaus ausziehen wird, da ihr vom Kostenträger kein Anrecht auf das Wohnen in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe zugestanden wird, sondern nur die Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung.