Die WG geht in konkrete Planung
Hallo zusammen,
am Montag waren interessierte Eltern, Bewohnerinnen und Bewohner von der hiesigen Lebenshilfe zum ersten Wohngruppentreff für die Neuauflage des "Mittendrin"-Projektes eingeladen für Ambulantes betreutes Wohnen mitten in der Stadt. Nachdem vor etwa 2 Jahren das erste Projekt dieser Art umgesetzt worden war, gab es erstmal eine Pause. Nun werden neue Wohngruppen angegangen, in einer davon soll meine Tochter leben.
Für euch ein paar Informationen des Abends:
Von der Lebenshilfe wird hier ein "Wohntraining" für die Dauer von 4 Wochen angeboten, damit die Menschen mit Hilfsbedarf, die sich für eine WG entscheiden, testen und erfahren können, was das bedeutet und wie sich das anfühlt. Praktisch schaut das so aus, dass es eine Kooperation mit einem Studentenwohnheim gibt, in dem diese Menschen für diese Zeit mit wohnen und leben. Die Studenten und die Lebenshilfe begleiten sie dabei.
Finde ich eine schöne Sache. Ob sie für unsere Töchter geeignet ist - ein ungewohnter Gedanke, über den es sich sicher lohnen würde, nachzudenken.
Die realistische Vorlaufzeit liegt zwischen zweieinhalb bis drei Jahren, es ist also sinnvoll, früh in die Planung zu gehen.
Es gibt 3 Blocks für die Finanzierung, die gesondert beantragt werden müssen:
- Pflegegeld (für die Pflege)
- Eingliederungshilfe (für die Betreuung)
- Grundsicherung (für Miete, Essen, Kleidung)
Eingliederungshilfe kann nur von Menschen beantragt werden, die einen Behindertenausweis haben.
Die Höhe der Eingliederungshilfe bemisst sich am Hilfsbedarf - hierzu gibt es ein Punktesystem, anhand dem die Hilfsbedarfsstufe ermittelt wird. Das Procedere ist ähnlich dem, das wir von den Pflegestufeneinteilungen kennen. Es schaut in dem Fall eben jemand darauf, wie viel Hilfe ein Mensch für seinen Lebensalltag braucht, wieviel Betreuung er wofür benötigt, Begleitung zum Arzt, Tafös, Therapien, Kino, Theater etc.
Antragssteller/-in ist immer die Person, die ambulant betreut leben wird - also nicht wir, sondern unsere Töchter.
Da es sich bei der Eingliederungshilfe und der Grundsicherung um Sozialhilfe handelt, gilt es einiges zu beachten:
Wohnungsgröße max. 45 qm für Einzelpersonen.
Leben mehrere Personen in einer WG, werden die qm natürlich entsprechend hochgerechnet.
Es ist auch denkbar, dass unsere Töchter in einer Eigentumswohnung leben - das ist das einzig geschützte Vermögen, das nicht angetastet wird, allerdings darf die Wohnung eine gewisse Größe dann auch nicht überschreiten. Es ginge also nicht, dass unsere Töchter in einer 150 qm Wohnung alleine leben und dennoch Sozialhilfe beantragen. Was allerdings geht: In solch einer großen Wohnung eine WG zu gründen, in der noch andere Mitbewohnerinnen und Mitbewohner zur Untermiete wohnen. Die Miete würde dann auf die Sozialleistungen angerechnet werden, da sie als Einkommen gilt.
Vermögen:
Um diese Sozialleistungen zu bekommen, muss das Vermögen der Antragsstellerin unter 2600 Euro liegen und der Verdienst unter 900 Euro / Monat. Würde eine unserer Töchter 1500 Euro verdienen, würden aber nicht 600 Euro von der Sozialleistung abgezogen, es würde nur anteilig hinzugezogen werden. Das Vermögen der Eltern wird nicht hinzugezogen, das wird erst ein Thema, wenn es um ein evtl. Erbe geht (Behindertentestament!).
Der Antrag dauert 6 Monate für die Bearbeitung - an der Zeitspanne ist kaum etwas zu rütteln. Er kann aber auch wesentlich früher gestellt werden und das empfiehlt sich auch. Wenn sich jemand also für diese Wohnform entscheidet, dann ist es auch sinnvoll, ihn gleich zu Beginn zu stellen. Bis das Projekt umgesetzt werden, dauert es ja in der Regel einige Zeit.
Notfallplätze für ambulantes betreutes Wohnen gibt es kaum bis gar nicht, was ja auch sinnvoll ist, weil diese Lebensform eine individuelle Planung erfordert, damit die Wohnsituation dann auch so werden kann, wie wir uns das für unsere Töchter vorstellen.
Würde nach aktuellem Stand in einer Familie ein Notfall eintreten und die Tochter von heute auf morgen untergebracht werden müssen, hätte die Familie kaum Einfluss darauf, wohin die Tochter kommt - sie käme dorthin, wo Platz ist, sofern man nicht vorgesorgt hat.
Der Montagabend hatte im Grunde zwei Blocks: Zum einen wurde über die Möglichkeiten und Schwierigkeiten informiert, zum anderen wurde gesammelt, wie die Wünsche der Eltern und der Menschen mit Hilfsbedarf in Bezug auf die Wohnform aussehen und wie die zeitlichen Vorstellungen sind.
Das Projekt ist gestartet, es werden am Ende jedoch sicher mehrere unterschiedliche Wohngruppen in Bezug auf die Größe entstehen. Wer, wann mit wem zusammenkommt, das wird sich im Laufe der Zeit entwickeln.
Ich finds jedenfalls klasse, dass wir hier eine so engagierte Lebenshilfe haben, die das begleitet und möglich macht.